Projekt des Monats (06/2018)

»Zusammen Singen« – Ein Chor für alle Kölner*innen

Mit diesem interkulturellen Projekt wurden junge Menschen ab 18 Jahren zum Mitmachen in einem  Chor motiviert – darunter vor allem auch junge Erwachsene mit Migrations- oder Fluchthintergrund. Die Teilnehmenden sangen gemeinsam und gestalten das Chorleben aktiv mit. Die wöchentlichen Proben ermöglichen Begegnungen über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg und stärken das Gemeinschaftsgefühl. Darüber hinaus wurde das Chorprogramm durch weitere Begegnungsformate und Gruppenaktivitäten ergänzt. Hierzu zählten z.B. ein gemeinsamer Kochabend und ein Chorwochendende mit Wanderung. Durch methodische Ansätze wurde die Teilhabe der Chormitglieder an der organisatorischen Umsetzung des Projekts bewusst gestärkt. Ein groß angelegtes Abschlusskonzert in Kooperation mit zwei weiteren Chören bildete den Abschluss des Projekts, dessen Grundidee im Rahmen von interkulturellen Kochabenden des Trägervereins durch Flüchtlinge angeregt wurde.

Gemeinsam Musik machen, um miteinander statt nebeneinander zu leben. So lautet das Ziel des Begegnungsprojektes »Zusammen singen«, mit dem Menschen angesprochen wurden, die in Köln leben bzw. hier eine neue Heimat gefunden haben. Kölnerinnen und Kölner vielfältiger kultureller Herkunft und in der Domstadt lebende Flüchtlinge im Alter zwischen 18 und 61 Jahren nahmen im Rahmen der »Werkstatt Vielfalt«-Förderung am Chorprojekt teil. Zur Überwindung sprachlicher Hürden entschied sich der Projektträger Interaktion – Verein für interkulturelle Initiativen e.V. ganz bewusst für die Musik. Denn Musik ist eine Sprache, die verbindet, ohne, dass man die Worte verstehen muss.

Teilnehmende, Zeitplan und Inhalte

Die Chormitglieder brachten unterschiedliche kulturelle, soziale und religiöse Hintergründe mit. Die Herkunftsländer der Teilnehmenden spiegeln die breite kulturelle Vielfalt des Projektes wieder: Afghanistan, Argentinien, Dänemark, Finnland, Ghana, Polen, Nigeria, Syrien und Deutschland. Nach rund drei Monaten regelmäßiger wöchentlicher Proben entstand zunächst eine Kerngruppe. Diese wuchs rasch an, so dass der Chor bis Juli 2017 ca. 30 Sängerinnen und Sängern zählte.

Nach einer zweimonatigen Vorbereitungsphase fand ein erstes Treffen zum gegenseitigen Kennenlernen statt. Zehn Monate lang trafen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich anschließend wöchentlich zu gemeinsamen Proben unter Anleitung einer ausgebildeten Chorleitung – immer montags von 19.30 bis 21.00 Uhr. Lieder aus unterschiedlichen Regionen der Welt in vielen verschiedenen Sprachen standen auf dem Programm der gemeinsamen Chorproben. Damit sich die Sängerinnen und Sänger untereinander besser kennen lernten, fanden neben den Proben weitere gemeinsame Aktivitäten statt: z.B. ein Kochtreffen, ein Kneipenabend, ein Chorwochenende mit Wanderung oder ein Wichtelabend. Ein öffentlicher Auftritt des Chores sollte die Projektphase schließlich abrunden.

Öffentlichkeitsarbeit

Zu Beginn des Projekts wurde auf unterschiedlichen Kanälen nach musikbegeisterten Menschen für den Chor gesucht: Das Projektteam erstellte einen Flyer und ein Plakat, auf denen das Chorprojekt in sechs Sprachen (Arabisch, Deutsch, Englisch, Polnisch, Serbo-Kroatisch, Tigrinya) jeweils kurz vorgestellt und zu einem ersten Treffen eingeladen wurde. Mit »Zusammen Singen« erhielt die Initiative einen treffenden Titel. Auf der Webseite des Vereins und über Soziale Medien wurde nach Sängerinnen und Sängern gesucht. Eine Facebookseite und eine mehrsprachige Kampagne warb auf der Plattform für das Projekt. Dort wurde später auch ein- bis zweimal wöchentlich über den Chor und seine aktuellen Aktivitäten berichtet. Außerdem wurden dort gezielt Artikel oder Videos gepostet und geteilt, die für Chorinteressierte einen Anreiz lieferten, mitzumachen. Eine Instagram-Seite präsentierte ebenfalls regelmäßig Fotos vom Chor.

Per E-Mail und vor allem Mundpropaganda durch Multiplikatoren wurde in ganz Köln nach Interessierten gesucht. »Zusammen Singen« wurde von der Presse auf unterschiedlichen Wegen in die Öffentlichkeit getragen: Radio (Domradio, Studio ECK), Social Media Interviews (WDR), Zeitungsartikel (Kölner Stadtanzeiger), Online-Artikel (Domradio, Deutsche Welle) und Online-Video (Deutsche Welle).

Personal und Räumlichkeiten

Das Projektteam bestand im Kern aus drei Personen, die sich die Aufgaben rund um die praktische Umsetzung des Chorprojektes aufteilten. Eine Person übernahm organisatorische Aufgaben im Back-Office (Beantwortung von E-Mails potentieller Teilnehmer/innen, Teilnehmerlisten, Planung und Organisation des Probe-Wochenendes). Eine weitere Person sprang als Übersetzer für Arabisch und die Kommunikation mit arabischsprachigen Teilnehmer/innen ein. Die dritte Person übernahm Projektleitung, Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Koordination der einzelnen Aktivitäten. Die Projektleitung nahm auch an den Proben teil und war damit Teil des Chors. So konnte sie auf Bedürfnisse der Chormitglieder eingehen und den nicht-musikalischen Teil des Projekts bedarfsgerecht koordinieren. Eine Chorleiterin war schnell gefunden, aber einen zentral gelegenen und kostengünstigen Raum nutzen zu können, erwies sich als schwierig. Glücklicherweise konnte eine Kooperation mit einer Kölner Musikakademie eingegangen werden, die einen Proberaum zu vergünstigtem Preis zur Verfügung stellte.

Verlauf, Methoden und Herausforderungen

In den Proben erhielten die Sängerinnen und Sänger die Möglichkeit, ihre musikalischen Fähigkeiten unter Begleitung der Chorleiterin auf- und auszubauen. Einige hatten noch nie in einem Chor gesungen und mussten sich erst an den typischen Ablauf einer Chorprobe gewöhnen. Auch das Konzept des Notenlesens war nicht allen bekannt.

Hinzu kamen Verständigungsschwierigkeiten und kulturelle Unterschiede. So setzte sich die Männerstimme des Chors überwiegend aus syrischen Sängern zusammen, d.h. Arabisch war die Muttersprache der meisten. Hier erwies sich als besonders hilfreich, dass ein Mitglied des Organisationsteams, und später auch andere Chormitglieder, immer wieder übersetzten. Es gab zwei Personen aus Afghanistan, für die teilweise ins Englische übersetzt oder langsam wiederholt werden musste. Eine Aufgabe, für die sich – gerade zu Beginn – bewusst viel Zeit genommen wurde. Im weiteren Projektverlauf wurde es aufgrund des Zeitdrucks durch das bevorstehende Konzert zunehmend schwierig, diese Aufmerksamkeit und Zeit aufzuwenden. Eine Schwierigkeit, die auch von einigen Sänger/innen kritisiert wurde.

Die Gruppe fand aber auch hier eine gute Lösung: einige Mitglieder trafen sich schon vor den Proben oder organisierten zuhause weitere Probetreffen.

Das gemeinsame Singen hat als Methode funktioniert, um einzelne Persönlichkeiten zu einer Gruppe zusammenzuführen. Das Erlebnis, gemeinsam Harmonien entstehen zu lassen und jeden Tag ein wenig besser zu werden, trug zur Gruppendynamik bei. Kamen die Teilnehmenden zurückhaltend und zögerlich in die Proben, verließen sie diese zum Ende meist energiegeladen und angeregt miteinander plaudernd.

Neben dem gemeinsamen Singen wurden in den Chorproben auch andere Methoden verwendet, um das Gruppengefühl und den Partizipationsgedanken zu stärken, z.B. die »Redezeit«: Hier wurde Raum geschaffen für Ideen, Kritik, Anregungen, Lob oder alles Weitere, das die Gruppe besprechen wollte. Anders als bei einer Ansprache wurde während der rund fünfzehnminütigen »Redezeit« (bequem im Sitzen) buchstäblich auf Augenhöhe gesprochen. Sänger/innen mussten sich so nicht vor der Probe bei der Chorleitung melden und ankündigen, dass sie etwas sagen möchten, sondern konnten spontan und entspannt während der Redezeit sprechen. So wurde z.B. während einer solchen Redezeit der bevorstehende Kochabend besprochen und organisiert.

Abschlusskonzert, Erfolge und Ausblick

Das Zusammenwachsen der Gruppe spiegelte sich auch nach Außen, denn aus »Zusammen Singen« wurde »MUSAÏQ«. Zur Krönung des Projekts fand unter dem neuen Namen ein großes Konzert im Stadtgarten Köln statt. Zusammen mit zwei weiteren Kölner Chören traten die Sänger/innen vor über 300 Menschen auf. Weitere Konzertgäste standen vor dem Saal an, weil dieser bereits überfüllt war.

Menschen, die im Alltag wahrscheinlich wenig miteinander zu tun gehabt hätten, entwickelten durch den Chor Verständnis füreinander und Interesse dafür, sich gegenseitig besser kennen zu lernen. Die meisten Teilnehmenden nahmen regelmäßig an den Proben teil, machten gemeinsame Erfahrungen und lernten voneinander und miteinander umzugehen. Sie hatten Spaß und waren motiviert, für ihren ersten großen Auftritt zu proben, sodass das Konzert ein umjubelter Projektabschluss wurde. Aus dem Projekt heraus sind Freundschaften und ein neuer Chor entstanden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten aufgrund fehlender Ressourcen schloss sich ein Teil der Gruppe zusammen und startete »MUSAÏQ - internationaler Chor Köln«. Mit einem eigenen Finanzierungsmodell ist dieser nun unabhängig von »Zusammen singen«. Fest steht: Der Chor singt weiter!

Kontakt und weitere Informationen

Interaktion – Verein für interkulturelle Initiativen e.V.
Yinka Kehinde
Schäfereihof 1
53343 Wachtberg
Web: www.interaktion-ev.de
Mail: vorstand(at)interaktion-ev.de

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Ansprechpartner für das Programm »Werkstatt Vielfalt«

Björn Götz-Lappe & Timo Jaster
Stiftung Mitarbeit
Ellerstraße 67
53119 Bonn
Tel. (02 28) 6 04 24-12/-17
Fax. (02 28) 6 04 24-22
E-Mail:goetz-lappe(at)mitarbeit.de
jaster(at)mitarbeit.de