Projekt des Monats (05/2020)

»LandART« – Generationentandems gestalten ihr Dorf

Bei diesem Projekt setzen sich Kinder aus hinzugezogenen Familien und alteingesessene Senior/innen aus drei amtszugehörigen Gemeinden in der Uckermark kreativ mit Lieblingsorten in ihrem Dorf auseinander. Den Auftakt bildete ein gemeinsamer Spaziergang zur Erkundung der Gemeinde. Bei regelmäßigen Treffen tauschten sich die Teilnehmer/innen in Generationentandems oder Kleingruppen zu Lieblingsorten (Plätzen, Häusern etc.) im Dorf aus. Diese Geschichten dienten als Grundlage für die Gestaltung von Kunstwerken für den öffentlichen Raum. Lokale Künstler/innen unterstützten die Teilnehmenden bei der Umsetzung ihrer Ideen. Am Projektende präsentierte die Projektgruppe ihre Arbeiten an mehreren Stationen in der Gemeinde in Form eines Erlebnisspaziergangs vor zahlreichen Gästen. Das Projekt förderte den Austausch zwischen den Generationen und die Bindung von Alteingesessenen und Hinzugezogenen zum eigenen Lebensraum.

Mit dem Projekt »LandART« realisierte der Verein MIKUB e.V. einen nachbarschaftlichen Austausch im ländlichen Raum. Die drei anliegenden Dörfern Groß Kölpin, mit dem Ortsteil Luisenhof, Friedenfelde und Neudorf, die zur Gemeinde Gerswalde gehören, zählen jeweils gerade einmal 10 bis 30 Einwohner/innen. Man kennt sich, man grüßt sich höflich, aber Wissen voneinander hat man vielfach dennoch kaum. Mitunter kommen einzelne Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner nicht miteinander ins Gespräch.
Als junge Familien mit Kindern aus dem Berliner Umland hinzuzogen, wollte MIKUB e.V. frühzeitig zur Förderung des Austausches und des Verständnisses zwischen Neuankömmlingen und Alteingessenen bzw. zwischen den Generationen beitragen. Gleichzeitig zielte das Projekt darauf, gesellschaftliche Teilhabe in der Region zu ermöglichen und eine engere Bindung zum eigenen Lebensraum für beide Teilnehmendengruppen zu schaffen.

Generationentandems finden zusammen

MIKUB e.V. hatte bereits mit einem Sozialraumportrait intensive Kontakte in der Region knüpfen können, dennoch verlief die Teilnehmer/innen-Akquise zunächst zäh. Es war schwierig, die neuen Familien – insbesondere die Kinder – für eine Teilnahme zu begeistern, da eine gewisse Scheu vor der Kontaktaufnahme mit den Alteingesessenen bestand. Diese wiederum hatten zunächst häufig die Sorge, gar nichts zu erzählen zu haben.

Nach einigen Anläufen fanden sich mehrere Tandems zusammen und kamen über ihren Ort ins Gespräch. Schnell entwickelten sie erste Ideen und die Beteiligten waren motiviert, diese gemeinsam umzusetzen. Im Laufe der sechsmonatigen Projektlaufzeit schlossen sich zuweilen einzelnen Tandems neue Interessent/innen an, sodass aus manchen Paaren eher eine kleine gemischte Gruppe entstand. Insgesamt waren zwanzig Kinder und ortskundige ältere Menschen sowie drei Referent/innen aus der Region – zwei Maler und Bildhauer und eine Videokünstlerin – als »Kunstmittler« am »LandART«-Projekt beteiligt. Die Kreativgruppen trafen sich in der Begegnungsstätte Haus Neudorf und in den Ateliers der beteiligten Künstler/innen.

Milchbänke und Schaukeln

Das sechsmonatige Projekt startete mit einer Kennenlernphase und drei Treffen in der Gesamtgruppe, die dem Austausch und der Entwicklung gemeinsamer künstlerischer Ideen dienten. Parallel besuchten die »Generationen-Tandems« ihre Lieblingsorte oder für sie bedeutsame Plätze und lernten somit etwas über ihre/n Tandempartner/in und über das jeweilige Dorf, einen bestimmten Platz, ein bestimmtes Haus kennen. Die jeweiligen persönlichen Geschichten wurden künstlerisch festgehalten, z.B. als kleine Holzskulptur in einem Vorgarten oder als Installation aus Steinen und Metall. Die lokalen Künstler/innen halfen den Paaren und Kleingruppen bei der Umsetzung der Kunstwerke.

Ein älterer Dorfbewohner fand es zum Beispiel sehr schade, dass seine ehemalige Schule jetzt ein Wohnhaus ist und heute nichts an die frühere Nutzung erinnert, denn hier hatte er einen wichtigen Teil seiner Kindheit verbracht. Eine junge Teilnehmerin interessierte sich für diese Geschichte. Es wurden mehrere moderierte Treffen des Generationentandems organisiert und ein passender Künstler angesprochen, der sich aber zunächst im Hintergrund hielt. Das Kind stellte Fragen zur Vergangenheit und der Tandempartner erzählte. Die beiden trafen sich regelmäßig – unter anderem vor dem Wohnhaus, das früher die erste Schule im Dorf gewesen ist. Später kam der Bildhauer hinzu und das Dreierteam probierte und diskutierte, wie dieser Ort in seiner vergangenen Funktion dargestellt werden kann.

Schließlich wurde gemeinsam auf kreative Weise ein Stein mit einer bunten Schultüte aus Metall gefertigt. Bei der Umsetzung arbeiteten das Tandem eng mit einem Bildhauer zusammen. Das Kind wurde angeleitet, eigenhändig mit anzupacken und malte den Entwurf für die Schultüte, der Senior griff auf seine Erfahrungen mit Schweißarbeiten zurück und formte das Objekt aus Metall. Der Bildhauer bearbeitete den Stein. Das Ergebnis wurde von allen gemeinsam vor dem Wohnhaus installiert. Im Vorbeifahren ein kleiner Hingucker!

Allen Teilnehmenden war die Form der künstlerischen Ergebnisse freigestellt. In mehreren Gesamttreffen stellten sich die Tandems ihre Arbeitsschritte vor und berieten sich gegenseitig. Schließlich sind drei öffentliche Installationen sowie ein Gemeinschaftsergebnis in der Gesamtgruppe entstanden. In Anlehnung an Milchböcke, auf denen früher vor den Grundstücken Milchkannen aufgestellt wurden, bauten einige Teilnehmer/innen eine überhöhte »Sitzbank«, die nun vor der Begegnungsstätte Haus Neudorf steht und sehr gut angenommen wird – nicht nur von den Gästen. Inspiriert von alten Geschichten über einen idyllischen Weg, der früher zu einem Ortsteil führte, den es heute nicht mehr gibt, gestaltete ein Generationen-Team behutsam einen Weg mit einer Holztafel und verschiedenen Bändern, die Schriftzüge mit Assoziationen zum Begriff »Liebe« tragen. Man muss genau hinsehen: Dann lädt die versteckte Wegeinbiegung zum Spazieren und Erkunden des »Liebesweges« ein.

Im Gutshaus von Friedenfelde lebten nach dem 2. Weltkrieg dreizehn geflüchtete Familien. Ein Mitglied der damaligen Familien, der später Stellmacher wurde, lebt noch heute in diesem Haus und berichtete den Projektteilnehmer/innen von seiner Geschichte. In Erinnerung an die Fluchtgeschichte nach 1945 und die Tatsache, dass es hier einmal viel mehr Kinder lebten, hat die Projektgruppe ein Schaukelbau-Projekt ins Leben gerufen. Dreizehn Schaukeln werden nach und nach je nach Absprachen mit den Privateigentümern sichtbar auf die einzelnen Grundstücke verteilt.

Alle Ergebnisse sind mit einem spezifischen Projektkennzeichen markiert und sollen in einem nächsten Vorhaben von MIKUB e.V. in eine entstehende digitale Kulturlandkarte der Uckermark eingepflegt werden.

Die Projektgruppe präsentierte die Ergebnisse schließlich im Rahmen eines gut besuchten Sommerfestes der Begegnungsstätte Haus Neudorf. Dazu wurde eine breite Öffentlichkeit persönlich oder mit Flyern eingeladen. Bei einem gemeinsamen Rundgang durch alle drei Dörfer stellten die Projektteilnehmer/innen den Gästen die einzelnen Stationen vor. Für das Gemeinschaftsprojekt »Schaukelbau« wurde zunächst noch eine provisorische Installation genutzt, da die Bauaktion erst nach und nach realisiert werden konnte.

Resonanz und Perspektiven

Die Idee von »LandART« und die künstlerischen Ergebnisse stießen bei den Gästen auf sehr positive Reaktionen. Das Projekt schaffte Anlässe für Begegnungen zwischen Kindern, jungen Erwachsenen und Senior/innen. Im Zuge diverser Treffen lernten sie sich kennen, entdeckten gemeinsam »Heimatspuren« und sammelten Ideen für die Darstellung der persönlichen Geschichten. Die Alteingesessenen brachten vielfach ihr handwerkliches Know-how sowie Materialien für die Installationen mit ein. Die Projektergebnisse bleiben nun auf lange Zeit im öffentlichen Raum bestehen und legen Zeugnis über das gemeinschaftliche Wirken der Dorfbewohner/innen ab. Das Projekt vitalisierte das Dorfleben und schaffte Anknüpfungspunkte für weitere Aktivitäten mit ähnlichen Formaten, denen die Projektbeteiligten offen gegenüberstehen.

Kontakt und weitere Informationen

MIKUB e.V.
Katja Zimmermann
Ratiborstraße 6
10999 Berlin
Web: www.mikub.org
E-Mail: katja(at)mikub.org

Ansprechpartner für das Programm »Werkstatt Vielfalt«

Björn Götz-Lappe & Timo Jaster
Stiftung Mitarbeit
Am Kurpark 6
53177 Bonn
Tel. (02 28) 6 04 24-12/-17
Fax. (02 28) 6 04 24-22
E-Mail:goetz-lappe(at)mitarbeit.de
jaster(at)mitarbeit.de