»Wohn(t)räume« – Junge Migrantinnen mischen sich ein

Das Vorhaben richtete sich an Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund, die die Einrichtungen des Vereins »Frauen lernen gemeinsam Bonn e.V.« besuchen. Die Teilnehmerinnen trafen sich wöchentlich, tauschten sich über ihre eigene Wohnsituation, damit verbundene Probleme und Veränderungsbedarfe aus. Mit einem selbst entwickelten Fragebogen interviewten sie Bewohnerinnen und Bewohner mit und ohne Migrationshintergrund, die in den benachteiligten Stadtteilen wohnen. Eine pädagogische Fachkraft begleitete die Gruppe. Die Teilnehmerinnen werteten die Interviews aus und formulierten den daraus resultierenden Handlungsbedarf. In Workshops und öffentlichen Kunstaktionen setzten sie die tatsächliche Wohnsituation und ihre Wünsche auf kreative Weise um und präsentierten die Ergebnisse in einer Ausstellung der Stadtgesellschaft.

Ziele und Erwartungen

Steigende Mieten, diskriminierende Vergabepolitik, hohe Nebenkosten – die schlechte Wohnsituation vieler Migrant/innen, insbesondere der Bewohner/innen sogenannter Sozialbauwohnungen, sichtbar zu machen, war Ziel des Projekts »Wohn(t)räume« in Bonn. Dazu traten Mädchen und junge Frauen aus dem Interkulturellen Mädchentreff Azade und dem Migrantinnentreff Gülistan – zwei Einrichtungen von »Frauen lernen gemeinsam Bonn e.V.« – in Austausch mit Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadtteile, in denen sie leben. Es galt auf diesem Weg, Perspektiven zu erweitern und allen Beteiligten einen differenzierten Einblick in unterschiedliche Wohn- und Lebensverhältnisse zu ermöglichen. Durch das gemeinsame Engagement der Projektteilnehmerinnen sollten interkulturelle und intergenerationelle Begegnungsräume geschaffen werden.

Die aktive Auseinandersetzung mit den eigenen Lebens- und Wohnbedingungen sollte die Teilhabemöglichkeiten von Migrant/innen an gesellschaftlichen und politischen Prozessen stärken. Der Kontaktaufbau zu Initiativen, Einrichtungen und kommunalen Gremien, die sich mit dem Thema »Wohnen« beschäftigen, sollte es wiederum ermöglichen, die Handlungsfähigkeit der Teilnehmerinnen auszubauen. Denn das Projekt zielte ebenfalls darauf ab, den Informationsstand für das Vorgehen bei wohn- und mietrechtlichen Problemen und baulichen Mängeln wie Asbest oder Schimmelbefall zu verbessern.

Gesprächskreise und Mieterinnentreff

Die Jugendlichen kamen zunächst im Offenen Mädchentreff in Gesprächskreisen zusammen. Sie diskutierten dort über Probleme und Wünsche bezüglich ihrer Wohnsituationen. Auch die Konfrontation mit Vorurteilen gegenüber manchen Stadtteilen wie z.B. Bonn-Tannenbusch oder Erfahrungen mit Rassismus auf dem Wohnungsmarkt kamen zur Sprache.

Gleichzeitig wurden die Wohnverhältnisse von Migrant/innen auch in den Integrationskursen des Vereins, bei den Elterntreffs und in der Sozialberatung gezielt angesprochen, so dass Missstände thematisiert und betroffene Bewohner/innen zusammen kommen konnten. Zur Stärkung des gemeinsamen interkulturellen Austauschs und zur Informationsvermittlung wurden mehrsprachige Veranstaltungen und Miettreffs organisiert.

Interviews

Die Mädchen und jungen Frauen entwickelten einen Fragebogen zur Wohnsituation von Migrant/innen und führten an Ständen in verschiedenen Sozialräumen und bei Veranstaltungen Interviews mit den Menschen vor Ort. Die Befragungen ermöglichten einen intergenerationellen Austausch und aktivierten die Bewohner/innen zugleich, ihre Interessen zu formulieren und mangelhafte Zustände zu kritisieren. Im Rahmen der Interview-Aktionen entstand ein Newsletter mit Informationen zur Wohnsituation von Migrant/innen und Flüchtlingen, der während der Projektlaufzeit regelmäßig an Interessierte verschickt wurde.

Kreativworkshops und Kunstaktionen

In Kreativworkshops setzten sich die Projektteilnehmerinnen mit der Frage auseinander, wie sie wohnen möchten und wie sie tatsächlich wohnen. Dabei entstanden unter anderem Mini-Wohnungen aus Schuhkartons zum Thema »Traum und Wirklichkeit« und eine Foto-Aktion mit dem Titel »1 Stadt, 2 Perspektiven«. Die Teilnehmerinnen arbeiteten auf kreative Weise die unterschiedlichen Lebensrealitäten in Stadtteilen mit mehrheitlich einkommensstarken bzw. -schwachen Bewohnerinnen und Bewohnern heraus.

Die inhaltliche Ausrichtung der Kreativworkshops wurde gemeinsam mit den Teilnehmerinnen geplant, sodass sie aktiv ihre eigenen Ideen einbringen und umsetzen konnten. Die Mädchen schrieben ein Märchen über die verschiedenen Wohnverhältnisse. Daraus entwickelten sie unter Benutzung ihrer selbst gestalteten Miniatur-Wohnungen eine Foto-Story und einen Film. Außerdem wurden mit selbstgestalteten, mehrsprachigen Sprechblasen diverse Aktionen und Fotoprojekte zu Themen wie Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt oder fehlende barrierefreie Wohnungen durchgeführt.

Öffentliche Aktionen

Die Ergebnisse aus den Interviews und Workshops stellten die Teilnehmerinnen in Form von Informations- und Mitmachständen bei Stadtteilfesten und in Schulen vor. Beim Weltkindertag und beim 1. Mai-Fest wurden die Besucherinnen und Besucher durch interaktive Mitmachaktionen einbezogen und konnten so ihren Erfahrungen und Erlebnissen Gehör verschaffen. Die Präsentation der Ergebnisse aus den Kreativaktionen machte außerdem die Kompetenzen und das Engagement der jungen Migrantinnen sowie die vielfältigen Lebens- und Wohnverhältnisse sichtbar.

Auf mehrsprachig bedruckten Postkarten forderten die Mädchen u. a. Chancengleichheit und bezahlbaren Wohnraum für viele statt Luxuslofts für wenige. Diese Postkarten wurden zu verschiedenen Anlässen – etwa bei der Sitzung des städtischen Sozialausschusses – gemeinsam mit dem Forderungskatalog an Politiker/innen, soziale Akteure und Interessierte verteilt. Dadurch kamen die jungen Migrantinnen ins Gespräch mit politischen Entscheidungsträger/innen und konnten diesen ihre Erfahrungen, Einschätzungen und Wünsche mitteilen

Ausstellung

Die gesammelten Ergebnisse aus den Workshops, Aktionen, Befragungen und Veranstaltungen wurden abschließend einen Monat lang im Bonner Stadthaus präsentiert – einem Ort mit hohem Publikumsverkehr. Bei der Ausstellungseröffnung berichteten die Mädchen und Eltern über ihre Erfahrungen aus dem Projekt. Ein Vertreter des Bonner Mietervereins stand Rede und Antwort und eine Vertreterin der Initiative BonnBunt zeigte auf, wieviel Leerstand in der Stadt zu verzeichnen ist und wie es immer wieder zu Verdrängungsprozessen durch Aufwertung von Stadtteilen kommt. Im Vordergrund standen aber die Forderungen der Mädchen und Eltern für eine Veränderung der Wohnungspolitik in Bonn. Die Ausstellung ermöglichte eine kontroverse Diskussion über Wohnraum und konnte durch Berichte in der Presse eine breite Öffentlichkeit erreichen.

Projektbilanz und Perspektiven

An den verschiedenen Projektaktivitäten haben insgesamt rund 60 Personen teilgenommen. Mit den öffentlichen Aktionen konnten zusätzlich noch mehr Menschen erreicht werden. Als Migrantinnenselbstorganisation legt »Frauen lernen gemeinsam Bonn e.V.« wert darauf, seine Angebote nicht nur für, sondern auch von und mit Migrantinnen zu entwickeln. Bei allen Aktivitäten ging der Verein deshalb von den Interessen, Fähigkeiten und Erfahrungen der Teilnehmerinnen aus.

Das Projekt »Wohn(t)räume« ermöglichte einen generationsübergreifenden Dialog, bei dem die Lebenssituationen von Migrant/innen auf kreative Weise in den Blick genommen wurden. Durch die Projektangebote wurden die Projektteilnehmerinnen gestärkt, an die Öffentlichkeit zu treten und Forderungen zu stellen. Vor dem Hintergrund des angespannten Wohnungsmarkts in Bonn ist ihre Rolle als Multiplikatorinnen zentral, da sie das erworbene Wissen über den Umgang mit Wohnungsgesellschaften, privaten Vermietern und anderen Akteuren weitergeben und eine Vorbildfunktion für andere Migrant/innen einnehmen können.

Kontakt und weitere Informationen

Frauen lernen gemeinsam Bonn e.V.
Alexandra Harstall, Alexandra Avramidis
Markt 14
53111 Bonn
E-Mail: info(at)azade.de
Web: www.azade.de / www.migrantinnentreff-guelistan.de

»Wohn(t)räume« – Junge Migrantinnen mischen sich ein
Projekt des Monats (10/2015) (ca. 3 MB)

Ansprechpartner für das Programm »Werkstatt Vielfalt«

Björn Götz-Lappe & Timo Jaster
Stiftung Mitarbeit
Ellerstraße 67
53119 Bonn
Tel. (02 28) 6 04 24-12/-17
Fax. (02 28) 6 04 24-22
E-Mail:goetz-lappe(at)mitarbeit.de
jaster(at)mitarbeit.de