»Demokratie geht nur miteinander«

Impulse für die Praxis

Sprache und gemeinsame Sprechfähigkeit

Wie kann gewährleistet werden, dass möglichst alle Teilnehmenden sprachlich mitkommen und sich einbringen können?

  • Bedarfe nach Sprachunterstützung vorher erkunden
  • Sprachunterstützung organisieren
  • Vielfältige Übersetzungsmöglichkeiten nutzen
  • Regeln zum Thema Sprechen im Workshop vereinbaren
  • Sozialform (Klein- und Großgruppe) häufiger wechseln

Die gesprochene Sprache ist ein unerlässliches Werkzeug, um miteinander in einen Austausch und Dialog zu kommen. Nun sind die vorhandenen Deutschkenntnisse bei den Geflüchteten äußerst unterschiedlich und es ist vor dem eigentlichen Zusammenkommen in einem Workshop auch nicht immer klar, wie gut die sprachliche Verständigung klappen wird. Es lohnt sich, vorher zu erkunden, wer eine Unterstützung in welcher Sprache braucht. Sehr häufig ist zumindest eine arabische Sprachunterstützung sinnvoll, manchmal aber auch Farsi, Dari oder Tigrinja. Nun gibt es verschiedene Varianten der Sprachunterstützung, die unterschiedliche Wirkungen und Vor- und Nachteile haben.

Sprachunterstützung und Dolmetschen: Sinnvoll ist es, eine Person – entsprechend der vorher erkannten Bedarfe - als Sprachunterstützung bzw. zum Dolmetschen für den Workshop vorher anzufragen. Wie gut Einzelne die deutsche Sprache beherrschen, zeigt sich manchmal erst im Verlauf des Workshops und nicht schon gleich zu Beginn. Oft über- oder unterschätzen nicht-deutsch-Muttersprachler/innen auch ihre Sprachkenntnisse bzw. Möglichkeit, sich in einer laufenden Diskussion einzubringen. Dabei zeigt sich auch manchmal, dass einzelne Teilnehmende so gut deutsch können, dass sie für andere in ihre Muttersprache übersetzen können. Insofern ist es hilfreich, wenn sowohl die Workshopleitung als auch der/die Sprachunterstützer/in eine hohe Aufmerksamkeit dafür haben, wer von den Teilnehmenden in einem Gespräch »mitkommt« und wer nicht.

Ist eine Person da, die simultan übersetzen kann (gleich ob es die extra eingeladene Sprachunterstützung ist oder ein/e Teilnehmer/in, die gut deutsch kann), hat dies einige Vorteile: die Inhalte kommen vollständig übersetzt rüber, Nicht deutsch sprechende Teilnehmende können sich mit der Unterstützung durch eine dolmetschende Person auch mit komplexen Beiträgen einbringen und es braucht keine zusätzliche Zeit.

Allerdings: bei der Simultanübersetzung, wenn sie nicht hoch-professionell über Kopfhörer läuft sondern flüsternd in einer Gruppe von Teilnehmenden angeboten wird, sind die Hörenden in ihrer Aufmerksamkeit »gebunden«: während sie noch der Übersetzung zuhören, läuft das Gespräch schon weiter. Sie werden dann eher zu passiven Gesprächsteilnehmer/innen, die ihre Energie und Aufmerksamkeit darein stecken »zuzuhören«. Ein anderes Hindernis kann sein, dass das Simultanübersetzung häufig zu einem lauteren Geräuschepegel führt.

Phasenweise kann es daher sinnvoll sein, nicht simultan sondern laut im Plenum zu übersetzen. Dies gilt vor allem für Erläuterungen zu Methoden oder Absprachen. Dieses Vorgehen braucht mehr Zeit und es erfordert die Geduld der anderen, die die Übersetzung in eine andere Sprache weder brauchen noch verstehen. Letztendlich ist es aber eine gute Übung für die Gesamtgruppe, auch zuzuhören und dabei beispielsweise auf die Körpersprache zu achten.

Grundsätzlich gilt: es gibt keine optimale Lösung dieser Frage. In den verschiedenen Phasen eines Workshops gilt es immer wieder neu zu fragen: wieviel Übersetzung ist wie nötig? Und wann ist es zuviel? Wenn wenig übersetzt wird, müssen sich die Teilnehmenden anstrengen zu verstehen – aber dadurch sind sie manchmal auch mehr in der Gruppe »drin«.

Auch die Deutsch-Muttersprachler/innen können und sollten ihr Sprachverhalten verändern. Ganz oft werden gerade in der Diskussion Sachverhalte komplizierter ausgedrückt als notwendig. Die immer wieder eingebrachte Frage durch die Workshopleitung »und was heißt das in verständlichem/einfachen Deutsch?« kann im Verlauf das Tages dazu führen, dass alle bewusster auf ihre Sprache achten.

Um in der Gesamtgruppe eine Aufmerksamkeit für das Thema Sprache zu wecken, können am Anfang des Tages einfache Regeln formuliert und sichtbar im Raum aufgehängt werden.

Der regelmäßige Wechsel zwischen Plenum und Kleingruppen unterstützt ebenfalls die Sprechfähigkeit und erleichtert den Austausch und Dialog. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, das Plenum kurz zu unterbrechen und alle zu bitten, sich mit der Sitznachbarin oder dem Sitznachbarn zu verständigen, ob alles bzw. was verstanden wurde.

Eine gemeinsame Sprechfähigkeit herzustellen meint also viel mehr als die organisatorische Regelung der Übersetzung in andere Sprachen. Es meint die zunehmende Sensibilität in der Gruppe, aufeinander zu achten, ob möglichst alle TN noch »dabei« sind, dem Verlauf folgen und sich beteiligen können, ggfs. laute Übersetzungsphasen geduldig abzuwarten wie auch als Deutsch-Muttersprachler/innen auf das eigene Sprechen zu achten. Die gemeinsame Sprechfähigkeit kann von der Workshopleitung besonders unterstützt werden, letztendlich ist aber die ganze Gruppe dafür mitverantwortlich.

Methodische Anregung: Kleingruppen

Plenumsgespräche sind auch bei 20 Teilnehmenden, die alle eine Sprache sprechen, anstrengend und lassen nicht zu, dass sich alle äußern und einbringen können. Gerade angesichts der unterschiedlchen sprachlichen Voraussetzungen bei den Teilnehmenden ist daher das Gespräch möglichst oft in Kleingruppen sinnvoll. Die Aufteilung der Großgruppe in zwei Gruppen durch 1-2-1-2 Abzählen führt dazu, dass diejenigen, die immer nebeneinander sitzen, in unterschiedliche Gruppen »gezwungen« werden. Die Erfahrung der durchgeführten Workshops zeigt: in jeder dieser Gruppen tauchen dann plötzlich TN auf, die denen, die eine Sprachunterstützung brauchen, doch übersetzen können. Nur in Ausnahmefällen ist es wichtig, die Gruppenzusammensetzung doch so zu ändern, dass alle die notwendige Sprachunterstützung erhalten.

  • Hier finden Sie Anregungen und Erfahrungen aus den Workshops »Auf Augenhöhe? Gemeinsam vor Ort etwas bewegen«. (Stand 2018) (PDF, 687 KB)