»Schlag nach bei Shakespeare« oder: Was hat Shakespeare mit Toleranz und Integration zu tun?

Mittels kreativer Methoden setzten sich rund 130 Schüler/innen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft von zwei Grundschulen und einer Sprachheilschule mit den Themen Toleranz und Integration im Stück »Romeo und Julia« auseinander. Sie fertigen Zeichnungen zu Szenen an, in denen sie Intoleranz entdecken und bereiteten eine »Shakespeare Performance« vor, indem sie in Werkstätten eigene Kostüme und Kulissen anfertigten. Das Projekt ermöglichte einen niedrigschwelligen Einstieg für alle Interessierten. Neben der künstlerischen Auseinandersetzung mit Toleranz und Integration bot das Projekt durch verschiedene Aushandlungsprozesse ganz unmittelbar die Möglichkeit, demokratische Handlungsweisen und das eigene Konfliktverhalten zu erproben.

Ausgangspunkt

Von Januar bis Juli 2015 führte der »Mini Verlag der Buchkinder_Weimar e.V.« mit Kindern und Jugendlichen ein Theaterprojekt zu den Themen Toleranz und Integration durch. Im Fokus des Vorhabens stand die berühmte aber tragische Liebesgeschichte von »Romeo und Julia« des englischen Schriftstellers William Shakespeare, der im Jahr 2014 seinen 450. Geburtstag feierte.

Das Projekt richtete sich an über 130 Kinder und Jugendliche im Alter von sieben bis zwölf Jahren. Im Zentrum stand die Frage: Findet man innerhalb des Stückes »Romeo und Julia« Ansätze von Integration und Toleranz? Der Konflikt der beiden verfeindeten Sippen, bei dem Familienmitglieder die Kämpfe Ihrer Vorfahren fortführen, wurde von den Teilnehmer/innen auf hochaktuelle Fragen zu Toleranz und Integration hin untersucht: Warum werden Menschen anderer Hautfarbe, Kultur und Religion immer wieder denunziert und ausgeschlossen? Nur weil sie einem fremd anmuten?

Die Kindern beleuchteten die Texte des englischen Dramatikers, in denen Situationen immer wieder auf dramatische Weise eskalieren und ein überaus unschönes Ende finden. Sie blickten in andere Länder wie z.B. Israel, das politisch und religiös seit Generationen geteilt ist, um zu untersuchen was Intoleranz und fehlende Integration mit Menschen macht und warum auch heute noch Menschen ihre Nachkommen in den immer gleichen »Krieg« schicken.

Träger und Kooperationspartner

Der »Buchkinder_Weimar e.V.« widmet sich der Förderung von Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien. Mit dem Vorhaben sollte allen Kindern die Möglichkeit gegeben werden, ohne milieubedingte Unterschiede, einen Zugang zu Bildung und Kultur zu erlangen. Als kooperierende Einrichungen nahmen die Staatliche Grundschule »Johannes Falk«, das Förderzentrum Sprache sowie die Staatliche Grundschule Rastenberg am Projekt teil.

Ablauf

Zunächst spürten die Kinder Szenen auf, welche aus Ihrer Sicht Intoleranz und fehlende Integration aufzeigten, stellten sie zeichnerisch dar und präsentierten sie anschließend. Es folgte die Auswahl der einzelnen Protagonist/innen und Schauspieler/innen. Die Kinder, die Lust hatten, bestimmte aussagekräftige Szenen der alten Texte darzustellen, präsentierten sich – ähnlich wie bei einem »richtigen« Casting – und bewarben sich so für die Rollen.

Einige Szenen wurden auch in die Neuzeit übertragen. In diesen Fällen schickt Julia beispielsweise nicht die Amme, um Romeo für ein Treffen zu kontaktieren, sondern versendete eine »What’si« (WhatsApp-Nachricht) um ein Treffen mit ihrem Geliebten zu arrangieren. Und Romeo teilt, als er Julia das erste Mal erblickt, seinen Kumpels voller Begeisterung mit, dass er diese »geile Schnecke« unbedingt kennenlernen muss. Die »Streitschlichter-Szene« war ebenfalls in der Neuzeit angesiedelt und zeigte den Zuschauern auf, wie der Streit der Familien und der Tod der beiden Liebenden mit etwas mehr Toleranz hätte verhindert werden können.

Das Highlight war die Kostümwerkstatt, in welcher die teilnehmenden Kinder der sprechenden Rollen ihre eigenen Kostüme für die Performance aus Papier fertigten. Die jüngeren Kinder (6-8 Jahre) haben in der Kulissenwerkstatt gearbeitet. Sie bauten aus Papier die Kulissen und spielten diese während der Aufführung. So gab es Wolken, Sterne und den Mond. Aber auch einen Busch, hinter dem sich Romeo im Garten von Julia versteckt. Mehrere Kinder stellten gemeinsam einen Zaun dar, indem sie sich gegenseitig einhakten und so eine Einheit ergaben. Und es gab wunderschöne Blumen, die sich leicht im Wind hin und her wiegten.

Jedes Kind war Teil der Veranstaltung und jeder trug zum Erfolg bei. Die kleineren Kinder übernahmen auch die Aufgabe, im Stil des Pointilismus mit ihren Fingerabdrücken ein Porträt von William Shakespeare aufzubauen. Aus vielen Punkten entstand peu à peu ein Motiv. Mit einer ähnlichen Technik fertigten die Kinder einen Vorhang für die Vortsellung an, um die einzelnen Szenen voneinander zu trennen. Hier konnten alleTeilnehmer/innen ihre Handabrücke aufdrucken – ein buntes Treiben, das den Kindern sichtlich Spaß gemacht hat.

Auch waren es die Kinder, welche für die Präsentation verantwortlich waren. Sie führten die Performance auf, leiteten durch das Programm und standen später auch der Presse Rede und Antwort. Wenn jeder noch so kleine Part eine besondere Stellung innerhalb eines Projektes einnimmt, dann fügt sich zum Finale alles ineinander. Ab dem Zeitpunkt der Aufgabenverteilung und der damit verbundenen Arbeiten waren alle Kinder und auch die beteiligten Eltern auf dem gleichen Stand und arbeiteten miteinander – ohne Hierarchien. Einigen Erwachsenen ist es schwer gefallen sich darauf einzulassen.  Das inhaltliche Niveau war in der Tat hoch, konnte aber von jeder und jedem bewältigt werden.

Erfolge

Die Kinder haben sich mit Begeisterung auf den Originaltext gestürzt. Einzelne Wörter und Metaphern, mussten den Kindern zwar erklärt werden. Von Vorteil war aber wiederum, dass viele Kinder die Geschichte von Romeo und Julia bereits kannten. Viele private Erlebnisse flossen in die Werkstätten ein und wurden innerhalb der Gruppen mit den unterschiedlichsten Kindern diskutiert. Es fand immer ein reger Austausch untereinander statt. Kein Kind wurde ausgeschlossen. Die nachmittäglichen Werkstätten waren von einer großen Betriebsamkeit und Kreativität geprägt und viele Kinder sind über sich hinaus gewachsen.

Zunächst war als Aufführungsort eine Sporthalle vorgesehen. Durch einen glücklichen Zufall konnte allerdings der Pfarrer der Gemeinde für das Projekt gewonnen werden, welcher daraufhin die Kirche für die Aufführung zur Verfügung stellte. Am Aufführungstag strömten über 300 interessierte Menschen in die kleine Kirche. Der Ort war für die Performance perfekt und das Feedback der Eltern grandios. Da die Resonanz im Publikum und in der Presse so positiv ausgefallen ist, wurde diese Performance ein weiteres Mal aufgeführt.

Fazit

Die Kinder, egal welchen Alters oder welchen sozialen Hintergrunds, sind an diesem Projekt gewachsen. Sie haben zueinander gefunden, sich kritisiert und gelobt und gemeinsam etwas Großartiges geschaffen und sind auch an den Schwierigkeiten nicht gescheitert, sondern voran geschritten. Sie haben ein Projekt auf hohem Niveau gestemmt und konnten voller Selbstbewusstsein herausgehen und voller Stolz zu sich sagen: »Das habe ich geschafft!«

Kontakt und weitere Informationen

Mini Verlag der Buchkinder_Weimar e.V.
Yasmina Budenz
Carl von Ossietzky Straße 81
99423 Weimar
E-Mail: info(at)buchkinder-weimar.de
Web: www.buchkinder-weimar.de

Ansprechpartner für das Programm »Werkstatt Vielfalt«

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