Projekt des Monats (11/2018)

»Woran glaubst du?« – Jugendliche schreiben über Religion

In diesem interreligiösen Projekt begegneten sich Jugendliche unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Die rund 60 Teilnehmenden setzten sich mit verschiedenen Glaubensrichtungen und -auffassungen auseinander, entdeckten sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede und diskutierten über den Abbau von Vorurteilen und einen respektvollen Umgang miteinander. Im Rahmen von Schreibworkshops lernten die Teilnehmer/innen, ihre Gedanken schriftlich auszudrücken. Die Texte und die Diskussionsergebnisse wurden als Grundlage für die Produktion von zehn Radiosendungen in Kooperation mit einem Lokalsender genutzt.

Wie gehen Jugendliche aus verschiedenen Kulturkreisen aufeinander zu? Respektieren sie unterschiedliche Glaubensrichtungen? Was wissen Sie über andere Religionen? Diesen Fragestellungen ging das Projekt »Woran glaubst du?« der Oldenburger Schreibwerkstatt in Kooperation mit der Martin-Luther-Kirche Oldenburg und dem Lokalradiosender Oldenburg eins nach. Rund 60 junge Teilnehmer/innen – unter ihnen Christen, Muslime, Jesiden, Hindus – wurden über Schulen und über die Konfirmandengruppen der Kirche für das Vorhaben gewonnen.

Die Jugendlichen diskutierten zunächst in kleinen Gruppen über Religion und Glauben. Dies bot ihnen die Gelegenheit, sich in die Lage anders Denkender und anders Glaubender zu versetzen. Sie arbeiteten heraus, was die unterschiedlichen Religionen verbindet. So wurde deutlich, dass es mitunter einige Gemeinsamkeiten bei den religiösen Praktiken oder den heiligen Schriften gibt. Erst danach thematisierten die Gruppen Unterschiede. Diese wurden allerdings von den Jugendlichen nicht als etwas Trennendes sondern als Vielfalt und Reichtum gedeutet.

Auch die medial und politisch viel diskutierte Frage »Gehört der Islam zu Deutschland« brachten die Teilnehmer/innen regelmäßig in die Gespräche ein. Die Jugendlichen lernten im Austausch untereinander ihre eigene Haltung zu reflektieren und andere Sichtweisen zu respektieren. Als bereichernd empfanden insbesondere die muslimischen Schülerinnen, dass ihnen im Projekt zu Fragen von Religion und Kultur zugehört wurde. Denn nicht selten sind sie selbst Gegenstand öffentlicher Debatten rund um die Ausübung von Religion, z.B. wenn es um das Tragen eines Kopftuchs geht.

Aus den Rückmeldungen der Jugendlichen zum Projekt wurde auch deutlich, dass sie einiges an Wissen zu Religionen und Glaubensauffassungen mitnehmen konnten. Einige Christen hatten z.B. noch nie etwas über Jesiden gehört und waren neugierig, aus erster Hand mehr zu erfahren. Für andere Beteiligte war es überraschend, dass einige Glaubensrichtungen nur mündlich überliefert werden.

Im Anschluss an die Gespräche verfassten die Jugendlichen kurze Texte, in denen sie auf sehr persönliche Weise über die Bedeutung von Religion in ihrem Leben schrieben. Bemerkenswert ist, dass sich alle Beteiligten tolerant über andere Glaubensrichtungen äußern und ihre Wertschätzung für die freie Religionsausübung in Deutschland ausdrücken. Dies trifft in besonderem Maße auf Jugendliche mit Migrationshintergrund zu. Immer wieder zeigt sich, wie religiöse Rituale und Gewohnheiten den Menschen Halt geben und Freude bereiten.

Einige Auszüge aus den Texten

  • Wenn mich jemand fragen würde, wo ich mich zugehörig fühle, würde ich antworten: Ich bin Vieles. Ich bin ein Mädchen, bin Jesidin, bin Kurdin, bin Irakerin und ich will auch Deutsche werden. Ich bin das alles! (Nadeen, 15 Jahre)
  • Als Baby bin ich christlich getauft worden, doch ich bin Atheist. Ich glaube an den Urknall und vermute, dass eines Tages mehrere Planeten zusammengestoßen sind und jeder Planet in irgendeiner Weise ein Lebewesen abgegeben hat. (Jerrik, 13)
  • Meine Religion ist der Islam. Ich bin eine sunnitische Muslimin und bete fünfmal am Tag. Wenn ich in der Schule bin, geht das nicht, aber ich hole das zu Hause nach. […] Seit einem halben Jahr trage ich ein Kopftuch. Meinen Eltern ist es egal, was für einen Landsmann ich später heirate, aber ein Muslim sollte es sein. (Melinda, 16)
  • Meine Eltern hätten schon gerne, dass ich eine Inderin heirate, aber das entscheide ich selbst, und damit sind sie auch einverstanden. (Karan, 17)
  • Regelmäßig jeden Freitag besuche ich eine Abendandacht in der Kirche. Danach kann ich immer glücklich ins Wochenende gehen. (Julian, 13)
  • Wenn ich z. B. nachts allein auf einem Berg bin und schlechtes Wetter ist, dann muss Gott mir nicht helfen. Dann macht es mir Mut, dass ich ein Handy habe. Ich kann die Feuerwehr anrufen. Aber wenn ich kein Handy habe, dann bitte ich Gott und er hilft mir. Ich meine damit, dass man Gott nicht bei jeder Kleinigkeit um Hilfe bitten sollte, sondern zuerst schaut, ob man das Problem alleine lösen kann. (Fatima, 16)
  • Bei Gott hat man immer eine Chance. (Frieso, 13)
  • Meine Religion, der Islam, ist mir sehr wichtig. Dafür lebe ich. Vor etwa einem Jahr habe ich mich entschieden, ein Kopftuch zu tragen und ich bete, seitdem ich 10 bin, fünfmal am Tag. Meine Eltern beten nicht und meine Mutter trägt auch kein Kopftuch, ich bin die einzige aus meiner Familie. Obwohl ich dem Islam angehöre, habe ich viele jesidische Freunde. Wir respektieren uns gegenseitig. […] Wenn ich mal heiraten sollte, dann nur einen Muslim. Meine Kinder werden auch muslimisch aufwachsen, aber zum Kopftuch ist niemand gezwungen. (Nadja, 16)
  • Einer meiner Klassenkameraden ist Jeside, und ich habe den Eindruck, er ist sehr stolz darauf. Wir unternehmen manchmal etwas zusammen. Dass wir einen unterschiedlichen Glauben haben, stört uns nicht. (Merle, 14)
  • Meiner Meinung nach könnten alle Gläubigen in Frieden zusammenleben; Probleme kommen durch Fundamentalisten. Jede Religion verlangt Frieden, wir müssten uns nur alle daran halten. (Jana, 17)
  • Anderen Religionen gegenüber bin ich generell offen und ich habe auch mehrere Freunde, die anderen Religionen angehören. Ab und zu tauschen wir uns über unsere Religionen aus und diskutieren über verschiedene Dinge. Oft bekommt man dabei auch andere Eindrücke und Vorurteile oder Halbwissen wird entschärft. (Frieso, 13)
  • Ich halte mich an die zehn Gebote, die Regeln Gottes, aber nicht nur, weil sie in der Bibel stehen, sondern teilweise auch im Grundgesetz. Es sind Regeln, ohne die das Zusammenleben nicht funktionieren würde. (Ronja, 14)
  • Ich meine, dass alle Religionen überall gut miteinander auskommen könnten, wenn die Menschen mehr auf den Charakter und nicht nur die Religionszugehörigkeit schauen würden. Bei Freundschaften klappt das gut. (Nadja, 16)
  • Christen und Muslime glauben an denselben Gott. Die Christen folgen dem Propheten Jesus und die Muslime folgen dem Propheten Mohammed. Beide fasten und beten, wenn auch unterschiedlich. Hier sehe ich viele Gemeinsamkeiten. (Ahmad, 16)
  • Von anderen Religionen habe ich gehört, dass es da viele Pflichten gibt, z. B. das Tragen eines Kopftuchs im Islam. Im Christentum muss man das nicht, das gefällt mir. Ich finde es nicht so gut, wenn man schon am Äußeren erkennt, woran der andere glaubt. Aber das ist Privatsache. (Merle, 14)
  • Wenn man mich fragen würde, ob ich in Deutschland bezüglich der Religionen etwas ändern würde, wäre meine Antwort: Nein, es ist alles gut, wie es ist. (Berkay, 17)

Diskussionsrunden & Radio

In der Martin-Luther-Kirche trafen sich die Jugendlichen zu drei größeren Diskussionsrunden und brachten ihre Themen aus den kleinen Gesprächskreisen noch einmal in neuen Konstellationen zur Sprache. Schließlich wirkten die Projektteilnehmer/innen an der Aufnahme von zehn Sendungen für oeins-Radio mit. Einigen Jugendlichen fiel es schwer, über die gesamte Zeitdauer der Aufnahme frei über Inhalte aus dem Projekt zu sprechen. So entstand in den Sendungen eine Mischung aus vorgelesenen Texten, Interviews und Musik aus unterschiedlichsten Kulturen.

Das Projekt »Woran glaubst du?« förderte Toleranz zwischen jungen Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und einen gegenseitigen Wissensaustausch. Es zeigte sich, wie unterschiedlich Religion in der Familie und im Freundeskreis gelebt und interpretiert werden kann – und dass für all diese Formen in einer offenen Gesellschaft Platz ist.

Kontakt und weitere Informationen

Oldenburger Schreibwerkstatt
Liane Hadjeres
Bonhoefferstraße 7
26129 Oldenburg
Web: www.oldenburger-schreibwerkstatt.de
Mail: liane.hadjeres(at)ewetel.net

Martin-Luther-Kirche Oldenburg
Pastorin Anja Kramer
Eupener Str. 2
26127 Oldenburg
Web: www.kirchengemeinde-oldenburg.de
Mail: kramer.anja(at)t-online.de

oldenburg eins
Dörthe Bührmann
Bleicherstraße 8-10
26122 Oldenburg
Web: www.oeins.de
Mail: buehrmann(at)oeins.de

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