mitarbeiten (2/1997)

Zukunft aktiv mitgestalten

Daß wichtige Grundlagenentscheidungen für die Zukunft heute getroffen werden müssen, ist den meisten bewußt. Umgekehrt prägen aber auch unsere Vorstellungen und Erwartungen von der zukünftigen Entwicklung unser heutiges Denken und Handeln. Darum ist es so wichtig, sich über wünschenswerte Ziele zukünftiger Entwicklung zu verständigen. Welche Methoden kommen dafür in Frage?

Der Wunsch, die Zukunft vorhersagen zu können, ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. Und lang ist die Liste berühmter Fehlprognosen. Ende des vorigen Jahrhunderts etwa wurde angesichts der dramatischen Verkehrszunahme auf Londons Straßen vorhergesagt, daß die Stadt 1930 vollkommen mit Pferdemist verschmutzt sein werde. Daß eine Handvoll Phantasten gerade dabei war, mit einer neuen Erfindung, dem Automobil, zu experimentieren, spielte in den damaligen Überlegungen überhaupt keine Rolle.

Heute hat es die Zukunftsforschung mit dem Paradox zu tun, daß sich die Zeithorizonte, für die sich einigermaßen verläßliche Aussagen machen lassen, immer weiter verkürzen, die Auswirkungen getroffener Entscheidungen aber immer langfristiger sind.

Die Qualität der Zukunftsforschung mißt sich allerdings keineswegs alleine am Grad der Richtigkeit einer Prognose. Aufgabe verantwortungsbewußter Zukunftsforschung muß es vielmehr auch sein, so Dr. Karlheinz Steinmüller (Sekretariat für Zukunftsforschung Gelsenkirchen), durch rechtzeitige Warnungen vor Gefahren deren Eintreten zu verhindern. Die Prognose erweist sich dann zwar als falsch; der Menschheit wurde aber ein Dienst erwiesen.

Die eingesetzten Methoden reichen von harten mathematisch- empirischen Verfahren bis zu weichen intuitiven Ansätzen. Einen Königsweg gibt es nicht, so verständlich der Wunsch nach dem sicheren Patentrezept im Zeitalter der Unsicherheit (Charles Handy) auch ist. Vielleicht kommt es gerade auf das Nebeneinander und Miteinander der Ansätze an und darauf, daß es gelingt, möglichst viele unterschiedliche Bürgergruppen daran zu beteiligen. Ein solches Verständnis setzt zugleich voraus, daß Zukunft nichts Schicksalhaftes, sondern tatsächlich gestaltbar und beeinflußbar ist. Die Wissenschaft muß sich dazu aus dem Elfenbeinturm heraus begeben.

Wie dies in der Praxis funktionieren kann, zeigte Alfred Frosch vom Institut für Arbeit und Technik e.V. (ifat) aus Hamburg während des Werkstattseminars. Mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde die Methode der Szenario-Workshops simuliert, die in der Realität normalerweise über einen Zeitraum von mehreren Monaten laufen. In Kleingruppen wurden wünschbare Szenarien für die Bereiche »Wohnen« und »Arbeiten« im Jahr 2020 erarbeitet. Eine dritte Gruppe analysierte in einem Trendszenario, welche Trends in der Zeit bis dahin voraussichtlich auf den Arbeitsmarkt einwirken werden. Der nächste Schritt ist die Gegenüberstellung von wünschbaren und wahrscheinlichen Entwicklungen und die Diskussion darüber, wie die Kluft zwischen beiden verringert werden kann. Im günstigsten Fall führt dies zu konkreten Maßnahmenvorschlägen und Handlungsstrategien.

Bei der Zukunftsgestaltung auch höchst unterschiedliche Interessen miteinander in Konsens zu bringen, ist die Idee der Zukunftskonferenz, die Dr. Walter Häcker, Organisationsberater aus Winterbach, ebenfalls durch Simulation vorstellte. Eine Zukunftskonferenz (30 bis 72 Personen) versammelt von einem Problem betroffene Personen, um zu einer gemeinsamen Vision sowie zur Erarbeitung von Maßnahmenplänen zu kommen. Die Teilnehmenden bearbeiten in Kleingruppen 5 Aufgaben:

a) Rückblick in die Vergangenheit, Ermittlung von Unterschieden und Ähnlichkeiten
b) Beurteilung externer Trends – positive wie negative
c) Entwicklung gewünschter Visionen
d) Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten
e) Planung von Maßnahmen.

Der Vorrat an Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen erweist sich zumeist als weitaus größer als zunächst angenommen.
Ein ganz anderes Modell strategischer Zielplanung stellte Thomas Mey aus Erlangen vor, der im Zivilberuf Ingenieur/innen eines Großunternehmens ausbildet. Er zeigte in praktischen Übungen, wie hilfreich Jonglage sein kann, um Selbstverantwortlichkeit und Zusammenarbeit im Team zu fördern, ohne Unterschiede zu leugnen oder zu bewerten.

Gerade bei Zukunftsplanungen scheint es für die gemeinsamen Ziele äußerst bereichernd zu sein, konventionelle Bahnen zu verlassen und sich neuen Methoden zu öffnen.

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