mitarbeiten (3/1997)

»Gelungene Verbindungen« von Freiwilligen und Organisationen

Immer öfter entstehen auf regionaler Ebene Freiwilligen-Agenturen. Menschen, die sich freiwillig, unentgeltlich engagieren, sich aber nicht in erster Linie einem großen Verband verpflichtet fühlen wollen, finden hier Hilfen bei der Suche nach Tätigkeitsfeldern im sozialen, kulturellen oder ökologischen Bereich. Freiwilligen-Agenturen vertreten vorrangig die Interessen der bürgerschaftlich Interessierten. Sie beraten aber auch Organisationen und helfen bei den notwendigen Strukturveränderungen im Umgang mit Freiwilligen. Die Qualität der Arbeit von Freiwilligen-Agenturen hängt davon ab, inwieweit es möglich ist, »gelungene Verbindungen« herzustellen zwischen den von den Freiwilligen geäußerten Wünschen und den in der Agentur verfügbaren Tätigkeitsbereichen. Die Suche nach diesen Verbindungen wird im angelsächsischen Raum als Prozeß des »matching« bezeichnet. Ausgangspunkt dafür sind die Freiwilligen selbst: sie bringen ihre Vorstellungen und Ideen für ein Engagement ebenso ein wie ihr Lebensgefühl und ihre Ansprüche an gesellschaftliche Teilhabe und Gestaltung.

Mit dem Blick auf die aktuelle Kultur und das Selbstverständnis der Freiwilligen diskutierten die Teilnehmer/innen der Fachtagung – veranstaltet von der Stiftung MITARBEIT, dem Treffpunkt Hilfsbereitschaft Berlin, der Freiwilligen-Agentur Bremen und dem Zentrum für Freiwilligen-Arbeit Dortmund – die erforderliche Organisationskultur wie auch Vorgehensweisen, Werte und Gütekriterien von Freiwilligen-Agenturen. Hans Oliva (Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich, Köln) beschrieb  den Strukturwandel des Ehrenamtes, der sich in den beiden letzten Jahrzehnten vollzogen hat  auf der Grundlage verschiedener Studien (u.a. Geislingen-Studie und Shell-Studie). So stehen Frauen beispielsweise, weil sie selbst für ihren Lebensunterhalt verantwortlich sind, für langjährige ehrenamtliche und karitative Arbeit immer weniger zur Verfügung: Zeit ist zur wichtigsten Ressource für die Ausübung von freiwilliger Arbeit geworden. Zudem ist es für die Freiwilligen von heute wichtig, daß sie die Möglichkeit erhalten, über ihr Engagement mitzubestimmen und ihre Tätigkeiten mitzugestalten.

Für Dr. Marita Haibach (Beraterin für Organisationsentwicklung, Wiesbaden) nimmt die Bedeutung von Freiwilligen ständig zu. Freiwilligenarbeit werde gesellschaftlich positiv bewertet. »Bei Freiwilligen handelt es sich um eine knappe Ressource, mit der nicht nur sorgsam, sondern auch professionell umgegangen werden muß.« Wichtig sei die Erkenntnis, daß Freiwillige keine automatische Entlastung für Organisationen darstellten. Auch in diesem Bereich sei qualifiziertes Personalmanagement und eine gut durchdachte Einsatzlogistik notwendig. Hierunter fallen Einarbeitung, Fortbildung und eine Anerkennungs- und Abschiedskultur.

Inzwischen gibt es zahlreiche Beispiele für »gelungene Verbindungen«. Interviews mit Organisationsvertreter/innen und Freiwilligen der Freien Hilfe Berlin (Vollzugshilfe) oder von Greenpeace Bonn machten deutlich, wie wichtig die verschiedenen Etappen auf dem Weg des Zueinander, Miteinander und Auseinander von Freiwilligen und Organisationen sind. Für die Aids-Hilfe Köln beispielsweise spielt schon beim Kennenlernen die Frage eines möglichen Ausstiegs eine große Rolle. Auch bei der Telefonseelsorge Dortmund und der Hospizgruppe Ulm wird die Frage der zeitlichen Begrenzung regelmäßig thematisiert. Begleitende Gesprächskreise, Fortbildungsangebote, Supervision und »Aufräumzeiten« schaffen den Rahmen zur Aufarbeitung von belastenden Situationen und zur Persönlichkeitsentwicklung. Die Freiwilligen entwickeln eine starke Bindung an die Organisation. Das freiwillige Engagement wird zu einem wesentlichen Bestandteil des eigenen Lebensentwurfs. Der eigene Nutzen und persönliche Gewinn wird von allen Beteiligten betont – selbst Hospizarbeit kann Gelassenheit, ja Heiterkeit fürs Leben vermitteln.

In Anbetracht der Konkurrenz auf dem Gebiet der Freizeitbeschäftigung halten Rob de Jong und Barry Okunick (Vrijvilligers Centrale Deventer)  ein professionelles Dienstleistungsangebot für notwendig. Das Angebot müsse aktuell und variabel, jedes Tätigkeitsniveau abgedeckt sein. Über die Freiwilligen-Zentrale in Deventer, die es bereits 12 Jahre gibt, bieten jährlich circa 300 Organisationen Stellen für freiwillige Arbeit an. Die Agentur sucht darüber hinaus für Freiwillige auch dann eine Stelle, wenn die gewünschte Tätigkeit bisher noch nicht im Angebot ist.

Die Niederländer legen großen Wert darauf, daß freiwillige Arbeit nicht zum Ersatz für vormals bezahlte Arbeit wird. In Zweifelsfällen werden Erkundigungen eingeholt und gegebenenfalls auch Vermittlungen abgelehnt.

Auch die deutschen Freiwilligen-Agenturen wehren sich dagegen, als »job-killing Börse« mißbraucht zu werden. Gleichwohl stehen die neuen Chancen im Vordergrund: Freiwilligen-Arbeit bedeutet, eine neue  Kultur sozialer Beziehungen zu entwickeln und zu gestalten. Für Rob de Jong ist Freiwilligen-Arbeit »der Zement zwischen den Steinen. Wenn alle Arbeit bezahlt würde, bröckelte der Zement ab.«

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