mitarbeiten (2/1999)

Anstöße für den Ausbau demokratischer Beteiligungsrechte

Nach mehr als 500 Veranstaltungen in über 100 Städten ist die bundesweite Aktion »50 Jahre Grundgesetz: Die Bürgergesellschaft lebt«, die von der Stiftung Mitarbeit und der Theodor-Heuss-Stiftung gemeinsam mit der Aktion Gemeinsinn und dem Forum Bürgerbewegung initiiert wurde, vorläufig zu Ende gegangen. Bürgerinitiativen, Vereine, Organisationen, Schulen, Volkshochschulen, Jugend-, Umwelt- und Fraueninitiativen, kirchliche Gruppen und Selbsthilfeprojekte haben sich an den Aktionen beteiligt und dazu beigetragen,  das Engagement der Bürgergesellschaft auf die politische Tagesordnung zu bringe.  Die Diskussionen über die Verfassung unserer Demokratie mündeten in der Formulierung der »Aufgaben und Ziele der Bürgergesellschaft – Thesen und Anstöße für eine öffentliche Diskussion«.

»Bürgergesellschaft« hat sich als Übersetzung des angelsächsischen Begriffs »civil society eingebürgert. Eine entwickelte Bürgergesellschaft gründet auf der Vielfalt verschiedener nicht-staatlicher Organisationen, Initiativen, Projekte und Institutionen. Die Menschen schließen sich freiwillig, aus eigener Initiative und autonom vom bürokratischen Staatsapparat zusammen. Als Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich aktiv am Gelingen des sozialen Ganzen und gehen gewaltfrei, tolerant und solidarisch miteinander um.  In diesem Zusammenhang wird vielfach von »Bürgersinn« gesprochen.

Eine lebendige Bürgergesellschaft kann nicht über Nacht entstehen. Sie läßt sich nicht wie eine demokratische Verfassung entwerfen oder festlegen wie die Regeln der Marktwirtschaft. Vielmehr formiert sie sich aus dem Bedürfnis der Individuen, sich zu artikulieren, sich in Entscheidungsprozesse einzubringen und die Gesellschaft mitzugestalten. Gefahr droht vom (Parteien-)Staat, der dazu tendiert, die Initiativen der Bürger zu kontrollieren und zu behindern. Die Bürgergesellschaft läßt sich insofern als Gegenentwurf zur staatlich gelenkten Gesellschaft verstehen, in der alle gesellschaftlichen Bereiche vom Staat kontrolliert werden.

In einer entwickelten Bürgergesellschaft stehen die Zusammenschlüsse der Menschen im Mittelpunkt, die Institutionen des Staates spielen eine zurückgenommene Rolle. Weit ausgebaut sind die Mitspracherechte der Bürger, Bürgervereinigungen und -initiativen.

In den »Thesen und Anstößen« wird deshalb gefordert, die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an den Prozessen der Meinungs- und Entscheidungsfindung zu fördern. Schrittweise sollen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene geschaffen werden. Zudem sollen die Modelle einer erweiterten Teilhabe wie beispielsweise Runde Tische, Dialogforen, Bürgergutachten, Mediationsverfahren und Zukunftskonferenzen gefördert und in ihrer Bedeutung aufgewertet werden.

Die Bürgergesellschaft strebt tendenziell über Grenzen des Nationalstaates hinaus, da die Idee des Nationalstaates immer den Ausschluß anderer beinhaltet. Die Bürgerfreiheit ist erst dann verwirklicht, wenn es die gleichen Rechte und Teilnahmechancen für alle gibt. Ethnische, kulturelle oder religiöse Unterschiede eröffnen neue Spielräume, die große Zahl divergierender Interessen gewährleistet, daß Interessen und Rechte von Minderheiten nicht gefährdet werden. Die politische Arena steht verschiedenen, einander widerstreitenden Gruppen zur Verfügung.

Die »Thesen und Anstöße« fordern, den Weg zur politischen Vereinigung der Europäischen Union durch verstärkte Mitsprache- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger zu stützen und Maßnahmen zu fördern, die der Herausbildung einer lebendigen europäischen Öffentlichkeit dienen. Ausführliche Informationsarbeit, verstärkte Austauschprogramme und die Förderung persönlicher Begegnungen bilden die Grundlage für ein  europäisches Bewußtsein der Bürgerinnen und Bürger.

Die Internet-Homepage der Aktion bleibt auch weiterhin unter der Adresse http://www.buergergesellschaft.de am Netz. Interessierte können dort den vollständigen Text der »Thesen und Anstöße« herunterladen und Vorschläge für ihre inhaltliche Weiterentwicklung formulieren.

Weitere Themen

  • <LINK 138>Zukunftskonferenz</LINK>
  • <LINK 139>Unkonventionelle Impulse</LINK>