mitarbeiten (1/2000)

Modelle der lokalen Bürger(innen)beteiligung – Stadtentwicklung mit den Bürgerinnen und Bürgern

Zum vierten Mal luden Stiftung MITARBEIT und Evangelische Akademie Loccum zu einer Fachtagung über Modelle der lokalen Bürger(innen)beteiligung ein. Vorgestellt wurden wieder eine Vielzahl lokaler Initiativen und neuer methodischer Ansätze, Bürgerinnen und Bürger besser als bisher an Entscheidungsprozessen zu beteiligen und dabei nicht nur die ohnehin schon Aktiven zu erreichen. Einer der Höhepunkte der diesjährigen Tagung war das Auftaktreferat der Heidelberger Oberbürgermeisterin Beate Weber.

Politik für eine Stadt kann nicht mehr so gemacht werden, daß an der Spitze entschieden und von der Verwaltung ausgeführt wird.« Für Beate Weber ist es vielmehr geradezu ein Wesensmerkmal zukunftstauglicher Politik, daß möglichst viele Menschen möglichst frühzeitig in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Dies steigere nicht nur die Qualität des Verwaltungshandelns und die Legitimation von Entscheidungen. Es fördere die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit der Kommune, stärke ihre Selbsthilfekräfte und schaffe Voraussetzungen für eine Verankerung des Gedankens einer Public Private Partnership. Und: »Wer auf lokaler Ebene nicht erlebt hat, daß er sich beteiligen und etwas bewirken kann, wird es auch auf anderen Ebenen nicht tun.«

In Heidelberg werden deshalb seit Jahren Schritte zu einer breiteren Bürger(innen)beteiligung und zu neuen Formen des Dialoges gegangen. Gemeinsam mit den Bürger(inne)n wurden für alle 14 Stadtbezirke Stadtteilrahmenpläne ausgearbeitet. Die Mitspracherechte der Bezirksbeiräte in den Stadtteilen wurden erweitert, ihre Position gestärkt. Die Verwaltung wurde mit »Bürgerämtern« in allen Stadtteilen näher zu den Bürgern gebracht.

Nach skandinavischem Vorbild setzte die Stadt Heidelberg eine Ombudsfrau als neutrale Vermittlerin in Konfliktfällen zwischen Bürger(inne)n und Verwaltung ein, die einzige dieser Art in Deutschland. Die kommunale Wirtschaftsförderung wurde als »One-Stop-Agency« umorganisiert, um für alle Anfragen aus dem Wirtschaftsbereich eine zentrale Anlaufstelle zu bieten.

Für unterschiedliche Zielgruppen und Themen wurde ein breites Spektrum differenzierter Beteiligungsangebote bereitgestellt. Das Frauenamt veranstaltete Zukunftswerkstätten für Frauen in allen Stadtteilen, um ihre Gesichtspunkte stärker in Planungsprozesse einbringen zu können. Kinder und Jugendliche erforschen ihren Stadtteil, um Vorschläge und Ideen nicht nur für die Kinder- und Jugendhilfeplanung zu entwickeln. Im Heidelberger Verkehrsforum arbeiteten unter fachkundiger Moderation Vertreter(innen) unterschiedlichster Interessen eng zusammen, um die Zukunft der Verkehrsplanung zu diskutieren, und stellten trotz fortbestehender Differenzen ein beachtliches Maß an Übereinstimmung fest, das in konkreten Realisierungsschritten umgesetzt werden soll.

Wohlverstandene »politische Führung« bedeutet, so Beate Weber, gerade auch, Diskussionen über das Notwendige anzustoßen und so zu organisieren, daß alle Beteiligten sich ernsthaft bemühen, einen Konsens zu suchen.

Trotz der imponierenden Fülle der durchgeführten Initiativen und Maßnahmen zur stärkeren Bürgerorientierung will Beate Weber nicht vom »Heidelberger Modell« sprechen. »Was wir in Gang gesetzt haben, ist nicht eins zu eins auf andere Städte übertragbar.« Die gewählten Formen und Ansätze der Beteiligung müssen immer die vorhandenen örtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten berücksichtigen. Wichtige Voraussetzungen sind aber in jedem Fall, daß die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses offen sind und daß für die Bürger(innen) erkennbar ist, was mit ihren Vorschlägen passiert.

Ebenso notwendig sind ein langer Atem und Standfestigkeit derjenigen, die sich für mehr Bürger(innen)beteiligung stark machen. Eine Kultur der Bürger(innen)beteiligung zu etablieren, ist ein langfristiger Prozeß. Diesen einzuleiten, bedarf politischen Gestaltungswillens und der Bereitschaft, auch politische Rückschläge in Kauf zu nehmen.

Die Tagung »Modelle der lokalen Bürger (innen)beteiligung« wird es auch im nächsten Jahr (8. bis 10. Dezember 2000) wieder geben, als Infobörse, Ideenschmiede, Motivationsquelle und Ort der Vernetzung für alle an Fragen der Weiterentwicklung der Bürger(innen)beteiligung Interessierte.

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