mitarbeiten (2/2002)

Gender Mainstreaming – Von der Quote zur Geschlechterdemokratie

Unverändert sind im Geschlechterverhältnis die Chancen ungleich verteilt: das betrifft die unterschiedlichen Partizipationschancen in der Politik genauso wie die ungleiche Verteilung von Arbeit. Der Gender Mainstreaming-Ansatz zielt darauf, geschlechtsspezifische Belange in allen gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen. Ziel ist die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Geschlechterdemokratie. In einem Seminar bietet die Stiftung MITARBEIT Interessierten aus Initiativen und Projekten die Möglichkeit, sich offensiv mit der Perspektive der Geschlechterdemokratie zu beschäftigen und soziale, kulturelle und politische Prozesse neu wahrzunehmen.

Das Konzept der Geschlechterdemokratie versucht, den Demokratiebegriff um die Geschlechterdimension zu erweitern. Politisches Ziel ist es, demokratische Verhältnisse zwischen Männern und Frauen zu erreichen. Inhaltlich bedeutet dies, die Partizipationschancen von Frauen in Politik und Öffentlichkeit zu erweitern, die gesellschaftliche Arbeit gerechter zu verteilen und neu zu bewerten und die gewaltförmigen und autoritären Strukturen zwischen den Geschlechtern zu überwinden.

Um diese Ziele zu erreichen, sollen die Entscheidungsprozesse in allen Politikbereichen und auch in den Arbeitsbereichen von Organisationen neu organisiert und  für die Gleichstellung der Geschlechter nutzbar gemacht werden. Dabei ist es das Ziel von Gender Mainstreaming, in alle Entscheidungsprozesse die Perspektive des Geschlechterverhältnisses – des Verhältnisses von Frauen und Männern in ihrer sozialen und kulturellen Rolle (Gender) – einzubeziehen.

Sex Gender
biologisches Geschlecht soziale und kulturelle Geschlechterrolle
von Geburt an gegeben durch Sozialisation erworben
kann nicht verändert werden kann verändert werden
Beispiel:
Nur Frauen können Kinder gebären
Beispiel:
Frauen und Männer können als
Arbeiter(innen), Ingenieur(in-
nen) und Lehrer(innen) arbeiten.
Nur Männer können Kinder zeugen Frauen und Männer können
sich um Kinder und kranke
Menschen kümmern.

 

Schweden hat als eines der ersten Länder praktische Erfahrungen mit Gender Mainstreaming gesammmelt und erste Methoden für die erfolgreiche Implementierung entwickelt. Die »3 R-Methode« beispielsweise ist ein Instrument, um bei der Erhebung und Analyse von Daten etwaige geschlechtsspezifische Ungleichheiten systematisch zu erfassen. Dabei wird versucht, die grundlegende Frage »Wer erhält Was unter Welchen Bedingungen« mit Hilfe der drei Variablen  Repräsentation, Ressourcen und Realia zu beantworten. Bei der Repräsentation wird systematisch erhoben, wie die Geschlechter in den Entscheidungsprozessen und -gremien vertreten sind. Für die Ressourcenverteilung geht es um die geschlechtsspezifische Zuteilung von Geld und Zeit. Eine mögliche Fragestellung ist hier beispielsweise, wie lange Frauen und Männer in Gremien sprechen. Mit  Realia werden zum Beispiel formale und informale Strukturen in Organisationen oder Einstellung gegenüber Kolleg(inn)en oder Kund(inn)en zu erfassen versucht. In der schwedischen Stadt Köping wurde mit der 3 R-Methode ermittelt, dass die vergleichbaren Anträge auf Sozialhilfe relativ gesehen häufiger Männern als Frauen bewilligt werden.

Ein weiterer Versuch, eine geschlechtersensible Sichtweise in alle politische Prozesse zu integrieren, ist der Einsatz sogenannter »fliegender ExpertInnen«.  Seit Mitte der neunziger Jahre stellt die schwedische Regierung mobile Gleichstellungs-Expert(inn)en ein, deren Aufgabe es ist, die Mitarbeiter(innen) in Ministerien für die Geschlechterproblematik zu sensibilisieren und sie mit Instrumenten zur Umsetzung des Gender Mainstreaming vertraut zu machen. Dieser Beratungs- und Schulungsansatz der »flying experts« ist mit dem Einsatz von Consulting Firmen bei der Einführung neuer Verwaltungsstrategien vergleichbar.

Als Instrument in der Politik wird Gender Mainstreaming seit einigen Jahren auch in der Europäischen Union vorangetrieben. Der Amsterdamer Vertrag legt in Artikel 3 fest, dass die EU in allen ihren Tätigkeiten darauf hinwirkt, »Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern«. In den beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU für 2000 ist das Prinzip des Gender Mainstreaming direkt verankert, im Fünften Aktionsprogramm der EU wird das Gender Mainstreaming-Konzept zur Zeit weiterentwickelt. Ziel ist es, die Geschlechterverhältnisse in jeder politischen Maßnahme von der Planung bis zur Durchführung zu berücksichtigen. Bei der EU-Förderung von Projekten und Programmen sind diese Kriterien auch für die Träger und Initiativen in den einzelnen Mitgliedsländern relevant.

In der Bundesrepublik wurde Gleichstellungspolitik mittels Gender Mainstreaming 1999 von der Bundesregierung als durchgängiges Leitprinzip und als Querschnittsaufgabe festgelegt. In  den Bundesländern Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ist die Selbstverpflichtung der staatlichen Organisationen durch Kabinettsbeschlüsse festgeschrieben. An ihrer Umsetzung wird intensiv gearbeitet.

Dass Geschlechterdemokratie nicht nur die große Politik, sondern auch den Alltag von Initiativen und Projekten betrifft, ist Thema des Seminars der Stiftung MITARBEIT »Von der Rolle... Geschlechterdemokratie in Projekten und Initiativen« (7.– 9. Juni 2002 in Remscheid). Nähere Informationen bei Eva-Maria Antz in der Bundesgeschäftsstelle (E-Mail: antz(at)mitarbeit.de)

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