mitarbeiten (4/2002)

Bundestagung der Freiwilligenagenturen – Wege zur nachhaltigen Engagementförderung

Bürgergesellschaft ist ein Prozess, der weder staatlich planbar noch staatlich organisierbar ist und auch nicht bloß normativ herbeigeredet werden kann. Er kann jedoch durch eine aktive Förderung des Engagements erleichtert und unterstützt werden. Die in den letzten Jahren entstandenen lokalen Freiwilligenagenturen leisten mit ihrer Arbeit dazu einen wichtigen Beitrag. Wie kann eine nachhaltige Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und wie kann die Arbeit der Freiwilligenagenturen in Zeiten öffentlicher Finanzengpässe nachhaltig abgesichert werden? Dies war eine der Fragestellungen bei der 7. gemeinsamen Jahrestagung der Bundesarbeitgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V. (bagfa) und der Stiftung MITARBEIT, die diesmal in Berlin stattfand.

Professor Thomas Olk, Universität Halle, untersucht die Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements seit vielen Jahren, er war Mitglied der Bundestags-Enquetekommission zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements. Für ihn hat das bürgerschaftliche Engagement in den letzten Jahren ein Maß an gesellschaftlicher Anerkennung gewonnen, das einem Quantensprung gleichkommt. Dass es notwendig ist, das Engagement aktiv zu fördern, werde heute allgemein anerkannt und von niemandem ernsthaft bestritten. Nun gelte es, dieses Bewusstsein in praktisches Handeln umzusetzen. 

Den Freiwilligenagenturen empfiehlt er, sich von einer reinen »Rekrutierungsperspektive« zu lösen, die sich darauf beschränkt, möglichst viele Freiwillige zu vermitteln. Stattdessen sollten sie die Beratung und Qualifizierung von Organisationen und die bürgergesellschaftliche Öffnung öffentlicher Institutionen verstärkt zum Thema ihrer Arbeit machen. Notwendig sei weniger ein »Arbeitsamt des Ehrenamtes« zu etablieren, als vielmehr ein erneuertes Verständnis von Engagementförderung und -entwicklung zu vermitteln. Nur mit einem so erweiterten Profil könnten sich Freiwilligenagenturen längerfristig behaupten.

Olks Ausführungen fanden während der Tagung viel Zuspruch. Zugleich wurde aber auch darauf hingewiesen, dass Freiwilligenagenturen sich selbst nie als bloße Vermittlungsagenturen verstanden hätten und Beratung und Qualifizierung von Organisationen immer schon Kernanliegen ihrer Arbeit sind. Vielfach werde aber der Erfolg der Arbeit von Zuwendungsgebern primär an quantitativen Vermittlungsdaten gemessen.

Ähnlich wie Olk sieht auch Warnfried Dettling, Publizist und einer der herausragenden  Ideengeber für die Entwicklung der Bürgergesellschaft in Deutschland,  erheblichen Beratungsbedarf bei großen Verbänden und öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Heimen, Schulen und Kindertagesstätten. Es gehe um Beratung, wie Freiwillige sinnvoll eingesetzt und wie Konflikte und Spannungen zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen vermieden oder gelöst werden können. Diese Arbeit ist nach seiner Meinung eine professionelle Aufgabe, die professionelle Moderation und Unterstützung erfordert.

Für Dettling ist die Entwicklung der Bürgergesellschaft die Reformperspektive des Wohlfahrtsstaates. Nur durch Förderung bürgerschaftlicher Mitverantwortung auf allen Ebenen könnten die großen sozialen Fragen unserer Gesellschaft bewältigt werden. Erforderlich sei dazu ein »Mentalitätenwechsel«, den herbeizuführen eine politische Aufgabe sei. Die Erfahrung zeige, dass die Anstöße dazu von unten kommen müssten.

Dass die Stärkung der Zivilgesellschaft nicht nur eine nationale Frage ist, hatte zu Beginn der Tagung Professor Helmut K. Anheier, international renommierter Dritter Sektor- Forscher an der London School of Economics, deutlich gemacht. Die Entwicklung der globalen Zivilgesellschaft sei nicht allein ablesbar an der während des letzten Jahrzehnts immens gestiegenen Anzahl international tätiger NGOs (Nichtregierungsorganisationen). Sie zeige sich gerade auch an ihrem wachsenden Einfluss auf internationale Meinungsbildungs- und Diskussionsprozesse – beispielsweise durch offizielle Beteiligung an internationalen Konferenzen oder die Durchführung von Parallelgipfeln.

Die globale Zivilgesellschaft ist nach Meinung Anheiers gleichermaßen ein Produkt der Globalisierung wie eine Reaktion auf ihre unerwünschten Folgen. Die internationale Vernetzung sei durch die neuen Informationstechnologien enorm erleichtert worden. Die internationale Zusammenarbeit der NGOs wirke auch auf die nationalen Politiken zurück.

Neben den großen gesellschaftlichen Perspektiven ging es im Rahmen der Tagung auch um den Erfahrungsaustausch und praktische Fragen von Zusammenarbeit und Vernetzung vor Ort. Die aktuellen Finanzierungsprobleme von Freiwilligenagenturen standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion, an der auch Dr. Martin Schenkel (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Uwe Lübking (Deutscher Städte- und Gemeindebund) teilnahmen.

Als »Bündnisse für das freiwillige Engagement« wurden die Arbeit der Bürgerstiftung Dresden, die »Offensive: 1 Euro für das freiwillige Engagement« und der Transatlantische Ideenwettbewerb USabel der Körber-Stiftung vorgestellt. Dr. Ansgar Klein informierte über den Gründungsprozess des bundesweiten Netzwerks zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements.

Weitere Themen

  • <LINK 104>Wege zur nachhaltigen Engagementförderung</LINK>
  • <LINK 105>Lokale Demokratie-Bilanz</LINK>
  • <LINK 106>Beispiel für wirksame Vernetzung</LINK>