mitarbeiten (2/2003)

Service-Learning - »Lernziel Bürgergesellschaft«

Wie können Schulen und Hochschulen stärker als bisher bürgerschaftliches Engagement fördern, und sollte dies auch in Lehrpläne und Studienordnungen aufgenommen werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Fachgesprächs »Service-Learning«, zu dem die Stiftung MITARBEIT Vertreter(innen) verschiedener Stiftungen und Studienförderwerke nach Bonn eingeladen hatte. Der Initiator des Fachgesprächs, Dr. Raimund Joos, hat damit begonnen, im Internet eine Informationsplattform für Service-Learning im deutschen Sprachraum aufzubauen.

Service-Learning ist ein Ansatz, der in den USA auf eine lange und lebendige Tradition zurückgeht, wie Dr. Frank Adloff, Wissenschaftler am Zentrum für Europa- und Nordamerika-Studien der Universität Göttingen, erläuterte. Es integriert das freiwillige Engagement in den Unterricht oder in die Seminare und zielt speziell auf die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler und Studenten. Seine Befürworter heben hervor, dass es die akademischen Leistungen verbessert, das demokratische Verständnis und die Verantwortungsbereitschaft fördert und die Studenten und Studentinnen ermuntert, sich sozial in der Gesellschaft zu engagieren.

Adloff nannte vier Handlungsfelder des Service-Learning: 1. Schü­ler (innen) und Studierende engagieren sich als Tutor(inn)en und helfen Jüngeren, den Lehrstoff zu bewältigen. 2. Mentorenprogramme stellen Kindern oder Jugendlichen einen Älteren zur Seite. 3. In den Fächern Biologie und Chemie werden Umweltprojekte initiiert, in denen es um Biotopschutz, Reinigungsaktionen oder Gartenbau geht. Schließlich engagieren sich 4. die Schüler(innen) und Studierende in sozialen Bereichen, etwa in Community Centern, Pflege-, Obdachlosen- oder Senioreneinrichtungen.

Im Unterschied zum klassischen »Community Service« ist das Service-Learning in die Curriculula oder Studienordnungen eingebunden, also keine bloß isolierte soziale Aktivität. Von berufsorientierten Praktika unterscheidet sich Service-Learning wiederum durch die stärkere Akzentuierung der »Civic Education« und des freiwilligen Engagements (vgl. Abbildung).

 Community ServiceService LearningBerufsorientierte Praktika
NutznießerEmpfänger von DienstenGeber und Empfänger von Diensten Geber von Diensten
SchwerpunktFreiwilliges EngagementFreiwilliges Engagement und LernenLernen
Pädago-gische Absicht

»Civic Education«
ethische Persön-lichkeitsentwicklung

»Civic Education«
ethische und kognitive Entwicklung
Karriereentwicklung
Curriculare EinbindungGar nicht oder sehr schwachIntegrationSchwach
Basis der AktivitätBasiert auf der Lösung sozialer Probleme Basiert auf einer akademischen Disziplin Basiert auf einem Berufszweig

nach Andrew Furco und Klaus Koopmann (vgl. Adloff, Frank: Service-Learning an amerikanischen Schulen und Universitäten)


Die Universitäten erkennen die freiwillige Arbeit der Studierenden als Studienleistung an. Viele Universitäten haben inzwischen sog. Community Partnership Outreach Center eingerichtet, die Lehrenden Rat geben, wie sie Service-Learning in ihre Kurse integrieren können. Die Center fungieren als eine Art von Freiwilligenagenturen auf dem Campus und bringen Studierende und Projektpartner zusammen.

Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass Service-Learning nicht nur der Persönlichkeitsentwicklung dient, sondern auch den Studienerfolg positiv beeinflusst. »Service-Learning als erfahrungsorientiertes, problemlösendes Lernhandeln bietet sich als pädagogische Alternative zur konventionellen akademischen Belehrung an.«

Bei aller positiven Einschätzung bleibt laut Adloff das Problem, dass Service-Learning sozial ungleich verteilt ist und ganz bestimmte Bevölkerungsgruppen dominieren. Auch vor diesem Hintergrund wird in den USA darüber diskutiert, ob Service-Learning zur Pflicht gemacht werden sollte, um alle Schüler(innen) zu erreichen. Dies fordert beispielsweise der Demokratie-Theoretiker Benjamin Barber. Angestrebt wird eine Erziehung zum Engagement, die genauso wie Lesen, Sch reiben und Rechnen gelehrt werden müsse. Demgegenüber halten Krititker(innen) erzwungenes ehrenamtliches Engagement für einen Widerspruch in sich. Gute Programme zeichneten sich dadurch aus, dass sie die Schüler(innen) von sich aus motivieren.

Dr. Anne Sliwka (Freudenberg Stiftung) sprach von einer Paradoxie der Freiwilligkeit, die in einem Zitat eines Schülers deutlich wird, der an einem Service-Learning-Projekt teilgenommen hat: »Freiwillig hätte ich es nie gemacht. Aber jetzt würde ich es wieder machen.« Die Freudenberg Stiftung hat verschiedene Modellprojekte zum Service-Learning in Schulen gefördert und evaluiert und ist in diesem Bereich in Deutschland einer der wichtigsten Aktivposten.

Eine andere wichtige Impulsgeberin ist die Hamburger Körber Stiftung, aus deren Arbeit Eveline Metzen berichtete. Die Körber Stiftung hat im Rahmen ihres transatlantischen Ideen­wettbewerbs USable mehrere Initiativen ausgezeichnet, die Ansätze des Service-Learnings in Deutschland realisieren, und unterstützt sie bei der praktischen Umsetzung.

Dass Initiativen zum Service-Learning auch ohne großen Vorlauf von Studierenden selber gestartet werden können, berichtete Almuth Wietholtz, Tutorin an der Universität Bonn, gemeinsam mit zahlreichen Kommiliton(inn)en.

Die Informationsplattform Service-Learning i.G. von Dr. Raimund Joos ist im Internet unter www.service-learning.de abrufbar. Vielfältige Informationen zum Thema gibt die Körber Stiftung (www.stiftung.koerber.de) Der Abschlussbericht zum Projekt »Service Lernen an Schulen in Deutschland« kann über die Website www.verantwortung-lernen.de bei der Freudenberg Stiftung kostenfrei angefordert werden. Die Seite enthält auch weitere Informationen zu Ansätzen und Methoden der Civic Education. Das Referat von Dr. Frank Adloff über Service-Learning an amerikanischen Schulen und Universitäten kann auf der Website der Stiftung MITARBEIT (www.mitarbeit.de) abgerufen werden. Eine ausführliche Version dieses Textes findet sich als pdf-Datei unter www.maecenata.de/publikationen/publikationen.htm.

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