mitarbeiten (1/2005)

Zwischen Profit und Non-Profit

Das Kapital der Bürgergesellschaft sind die vielen aktiven Menschen mit ihrem Engagement, ihrer Zivilcourage und ihren Einstellungen. Aber die Bürgergesellschaft braucht auch finanzielle Mittel. Eine vielfach unterschätzte Einnahmequelle ist die so genannte Eigenmittel-Erwirtschaftung: Gemeinnützige Organisationen erbringen Dienstleistungen und Güter, für die sie bezahlt werden. Andreas Knoth (SOCIUS Organisationsberatung gGmbH) hat mit Förderung der Robert Bosch Stiftung eine Studie über Eigenmittel-Erwirtschaftung im gemeinnützigen Bereich durchgeführt. Im Gespräch mit »mitarbeiten« erläutert er die Ergebnisse.

Wie hoch ist der Anteil der Eigenmittel-Erwirtschaftung im gemeinnützigen Sektor in Deutschland?

Andreas Knoth: Es gibt nur sehr vage Angaben darüber. In einem internationalen Forschungsprojekt der John Hopkins Universität wurde der Anteil der selbsterwirtschafteten Mittel, zu denen allerdings auch Mitgliedsbeiträge und Gebühren gerechnet wurden, im Non-Profit-Bereich in Deutschland Mitte der neunziger Jahre auf ein knappes Drittel der Gesamteinnahmen geschätzt. Er lag damit deutlich hinter den öffentlichen Mitteln, aber ebenso deutlich vor den philanthropischen Mitteln wie Spenden und Stiftungen. Im internationalen Maßstab fiel der Anteil jedoch vergleichsweise niedrig aus, so dass man von einem hohen Entwicklungspotential für Deutschland ausgehen kann.

Was kennzeichnet die von Ihnen untersuchten Fallbeispiele?

Unter den dokumentierten Trägern sind Vereine, Stiftungen und gemeinnützige GmbHs, die ihre Geschäftsbetriebe in unterschiedlichster Form strukturiert haben. Gemeinsam ist allen untersuchten Fällen, dass sie über ihre Geschäftsbetriebe durch marktorientierte Austauschbeziehungen Einnahmen erzielen und diese direkt oder indirekt ihren ideellen Programmen zugute kommen lassen.

Schafft eine stärkere Marktorientierung mehr Unabhängigkeit?

In gewisser Hinsicht schon. Organisationen mit mehreren Standbeinen sind weniger abhängig von einzelnen Förderern und Zuwendungsgebern. Andererseits stoßen sie oft auf neuen Handlungsdruck durch Kundschaft und Konkurrenz.

Wie begegnen Sie dem Einwand, mit der stärkeren Marktorientierung von gemeinnützigen Trägern  werde einem weiteren Rückzug des Staates und Abbau öffentlicher Mittel Vorschub geleistet?

Tatsache ist, dass der Staat zunehmend überfordert ist, die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen. Bei der Entwicklung des Eigenfinanzierungsanteils geht es aber nicht darum, den Staat aus seiner Verantwortung zu entbinden. Vielmehr geht es um einen sinnvollen Finanzierungs-Mix. Insbesondere die immer schwerer zu sichernde Finanzierung der Overhead-Kosten kann durch eine Stärkung der Eigenmittel auf eine stabile Basis gestellt werden, von der aus Projektförderungen freier akquiriert werden können.

Welche Voraussetzungen haben sich dafür in Ihrer Studie als Erfolgsfaktoren ergeben?

 Der Schlüssel zum Erfolg von Eigenfinanzierungsmodellen liegt in den Ressourcen der gemeinnützigen Organisation. Ein gemeinnütziger Träger, der einen gewinnorientierten Betrieb aufbaut, ist weniger mit einer Existenzgründung als mit einem Unternehmen zu vergleichen, das ein neues Geschäftsfeld erschließt. Wie bei der Unternehmenserweiterung zahlt es sich aus, nah am »Kerngeschäft« zu bleiben, um die bestehende Infrastruktur, Kompetenzen und Zielgruppenzugänge nutzen zu können.

... und organisatorisch?

Es müssen hinreichend personelle und finanzielle Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden, um einen Betrieb von der Gründung an durch die Startphase, in der Regel durch die ersten 2–3 Jahre, zu stützen. Ebenso wichtig ist eine kompetente Führung. Nicht nur betriebswirtschaftliche Kompetenz, sondern »Schnittstellenkompetenz« der Leitungspersonen ist wichtig, um die konfliktträchtige Verbindung zwischen ideeller und marktbezogener Sphäre innerhalb der Organisation zu überbrücken.   

Wie sollten sich Nonprofit-Organisationen auf den Aufbau eines Geschäftsbetriebs vorbereiten?

Wir empfehlen ein 5-Phasen-Modell. Zunächst sollten in einer ergebnisoffenen Zielbestimmung die Gründe für und gegen die Gründung eines Geschäftsbetriebes abgewogen werden. Dann erfolgen eine Ressourcenanalyse – was sind unsere Stärken und Möglichkeiten? – und eine Marktanalyse. Den vierten Schritt nennen wir »Konstruktion«, die Entwicklung eines geeigneten Organisationsmodells inklusive der Klärung (steuer)-recht­licher Fragen. Der fünfte Schritt ist die Erstellung des Geschäftsplanes. Durch diese Schrittfolge wird abwechselnd das Innenleben und die Umwelt der Organisation zum Ausgangspunkt der Planung gemacht. Damit sind – um in der Metapher des Buches zu bleiben – die Analyse von Ausrüstung und Terrain in gleichem Maße Grundlagen der Navigation.

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