mitarbeiten (1/2007)

E-Partizipation ist in der Praxis angekommen

Noch vor wenigen Jahren war die Bürger/innenbeteiligung per Internet vorwiegend ein Forschungsthema. Inzwischen sind die Methoden und Werkzeuge erprobt, und öffentliche Beteiligungsverfahren werden zunehmend elektronisch unterstützt. Hans Hagedorn arbeitet seit dem Jahr 2003 als Geschäftsführer und Projektleiter für Zebralog e.V. Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in der Entwicklung und Praxiserprobung medienübergreifender Dialogformate. Im Gespräch äußert er sich zu Praxis und Perspektive der E-Partizipation.

Wann ist ein Online-Dialog zu empfehlen?
Wichtige Voraussetzung für einen Online-Dialog ist eine ausreichende Anzahl interessierter Leute. Wenn es beispielsweise »nur« um ein kleines Baugebiet in einer kleinen Kommune geht, wäre der Aufwand zum Konzipieren und Realisieren eines Online-Dialogs vermutlich höher als der angestrebte Nutzen. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist ein Thema, bei dem sowohl unterschiedliche Interessen als auch Handlungsspielräume sichtbar sein müssen. Dies gilt für Online-Dialoge genauso wie für Präsenz-Dialoge. Wenn diese beiden Voraussetzungen vorliegen, die man mit »Masse und Klasse« umschreiben könnte, dann halte ich Online-Dialoge für ein geeignetes Instrument.

Sind Online-Dialoge eher eine Ergänzung zu traditionellen Beteiligungsverfahren oder ein wesentlicher Bestandteil?
Eine gute Beteiligungswebsite spiegelt den Verlauf des gesamten Beteiligungsprozesses wieder, damit auch Außenstehende die Fairness und die Ergebnisse des Prozesses beurteilen können. Diese »Spiegelfunktion« von Online-Dialogen ist mittlerweile unverzichtbar und kann mit anderen Medien nur unzureichend erfüllt werden. Ob das Online-Medium sinnvollerweise auch für den aktiven Diskurs genutzt wird, ist eine Entscheidung, die von Fall zu Fall getroffen werden muss.
Durch die Verknüpfung von klassischen Beteiligungsmethoden wie Präsenzveranstaltungen und postalische/telefonische Umfragen mit einer öffentlichen Diskussion im Internet kann eine breitere Zielgruppe angesprochen und in den Prozess integriert werden.

Wie werden Online-Dialoge in der Praxis umgesetzt?
Ziel ist es, den Online-Dialog als begleitenden Prozess langfristiger Entscheidungsprozesse zu gestalten. Er ist in aktive Diskussionsphasen, die wenige Wochen dauern, und ruhende Phasen gegliedert. Zu Beginn ist die Darstellung der Ziele entscheidend. Was soll mit dem Dialog überhaupt erreicht werden? Es werden Rahmenbedingungen geklärt, und es wird festgelegt, wie im späteren Verlauf auf die Ergebnisse der Diskussion eingegangen wird. Dieser Punkt ist besonders wichtig, um Teilnehmer/innen zu gewinnen und zur aktiven Teilnahme zu motivieren. Es muss glaubwürdig vermittelt werden, dass die Resultate der Bürger/innen tatsächlich gebraucht werden, und dass die Politik Rechenschaft ablegt, wenn sie einen Vorschlag nicht annimmt.

Wie kann ich als Bürger und Bürgerin mitentscheiden? Welche Möglichkeiten habe ich im Internet?
Die Optionen hängen von der Konzeption des Dialoges ab. Beim Online-Dialog »Bürgerhaushalt Lichtenberg« geht es zum Beispiel um das Motto »Helfen Sie uns beim Geld ausgeben«. Die Teilnehmer/innen werden aufgefordert, die steuerbaren Aufgaben des Bezirks zu lenken. Sie haben zunächst die Möglichkeit, Vorschläge zu verfassen. Diese werden dann zur Diskussion gestellt und können von weiteren Nutzer/innen kommentiert und verbessert werden, so dass im Laufe der Diskussion einfache Beiträge zu qualitativ wertvollen Projektvorschlägen heranwachsen können. Als nächstes sind die Bürger/innen aufgefordert, über die entwickelten Vorschläge abzustimmen, so dass am Ende eine Liste von zwanzig Favoriten vorliegt. Die Top-20-Vorschläge werden von einem Redaktionsteam mit weiteren Vorschlägen, die aus Bürgerversammlungen vor Ort hervorgegangen sind, zusammengefasst. Über die Vorschläge dieser Liste wird abschließend noch einmal abgestimmt. Die Ergebnisse werden an die Bezirksverordnetenversammlung weitergereicht, die die Vorschläge beschließt oder Rechenschaft ablegt, warum eine Idee nicht umgesetzt wird.

Wie sehen Sie die Zukunft der E-Partizipation?
Ich halte für die Zukunft grenz- und kulturüberschreitende Dialoge für eine spannende Frage. Für eine Umsetzung in diesem Bereich gibt es ein großes Potenzial. Sobald die europäische Öffentlichkeit weiter herangewachsen ist und mehrsprachige Kommunikation technisch besser unterstützt werden kann, können wir Online-Dialoge für viele länderübergreifende Fragen wie zum Beispiel die CO2-Diskussion oder EU-Erweiterung einsetzen.
Die Teilnahme an einem Online-Dialog wird attraktiver werden als das Zusehen bei einer Sonntag-Abend Talkshow. In der Talkshow sehen wir die immer gleichen Gesichter. Im Online-Dialog gelangen wir mit wenigen Klicks zu hoch spannenden Aussagen von Bürger/innen, die ihre Erfahrung aus unterschiedlichen Lebensbereichen mitbringen.

Weiterführende Informationen: E-Partizipation. Beteiligungsprojekte im Internet. Beiträge Nr. 21, Verlag Stiftung MITARBEIT, Bonn 2007, ISBN 978-3-928053-93-8, 320 S., ¤ 10,–
Kontakt: Zebralog e.V., Hans Hagedorn, Voltastr. 5, 13355 Berlin, Telefon: 0 30-61 62 19 06, Fax: 0 30-61 62 36 81, E-Mail:
dialog(at)zebralog.de, www.zebralog.de