mitarbeiten (2/2007)

Regionalisierung und Partizipation

In Kommunen ist die Beteiligung der Bürger/innen und der Öffentlichkeit zu verschiedenen Themen und in vielfältigen Formen nichts Besonderes mehr. Auf regionaler Ebene dagegen ist Partizipation bisher noch wenig verbreitet. Globalisierung und Europäisierung führen jedoch dazu, dass die regionale Ebene – verstanden als Ebene zwischen Bundesländern und Kommunen – immer wichtiger wird: in Politik, Ökonomie und Ökologie. Entscheidungen auf regionaler Ebene gewinnen zunehmend an Bedeutung und Reichweite. Hier fallen wesentliche Vorentscheidungen für kommunale Beschlüsse.  In einer neuen Publikation der Stiftung MITARBEIT untersucht Dorothee Zschocke die Praxis am Beispiel zweier Fallstudien und entwickelt ein Konzept für die Gestaltung von Partizipationsprozessen auf regionaler Ebene.

Wie werden sich die Städte und Gemeinden der Region Braunschweig angesichts von Bevölkerungsrückgang und zunehmender Alterung der Bevölkerung entwickeln? Wo werden wir einkaufen können, und wie sieht die Landschaft in der Region im Jahr 2030 aus? Das waren nur einige der Fragen, mit denen sich knapp 100 Bürgerinnen und Bürger zwischen 17 und 76 Jahren aus der Region Braunschweig im Rahmen eines Bürgergutachtens befassten. Es ging es darum, ein Leitbild für die Zukunft der Region zu erarbeiten.
Das Beispiel Braunschweig signalisiert eine  neue Form der Politik, die auf regionaler Ebene möglichst viele Akteure vor Ort einbezieht. Dazu gehören die allgemeine Öffentlichkeit und die einzelnen Bürgerinnen und Bürgern. Bisher bleibt der Kreis der Beteiligten an regionalen Projekten allerdings meist recht eingeschränkt. So auch bei der Leitbildentwicklung für acht Kernstädte im Ruhrgebiet, in die vorrangig Experten und regionale Persönlichkeiten einbezogen wurden. Allerdings gab es auch in diesem Projekt Akteure – wie beispielsweise das Frauennetzwerk Ruhrgebiet oder die Landesarbeitsgemeinschaft Lokale Agenda 21 –, die Partizipation einforderten und somit an der Leitbildentwicklung beteiligt wurden.

Auf regionaler Ebene ist die Partizipation unterschiedlicher Akteure mit Schwierigkeiten verbunden, einige Praxisbeispiele sind aber ermutigend. Durch Partizipation entsteht eine Beteiligungsbereitschaft von Bürgern und anderen Akteuren – auch für künftige Projekte und für Umsetzungsmaßnahmen in der Region. Es wird über regionale Projekte informiert und damit die Transparenz regionaler Entscheidungsprozesse erhöht. Auch die Akzeptanz von Planungen und Entscheidungen verbessert sich. Daneben ermöglicht Partizipation die Bildung neuer Netzwerke. Es lassen sich so langfristige Dialogprozesse in der Region initiieren.

Die breite Beteiligung in einer Region schafft die Voraussetzung, regionale Pläne und Programme schneller und besser umsetzen zu können. Bei konkreten Fragestellungen sind darüber hinaus – gegen­über einer reinen Expertenplanung – inhaltlich bessere Ergebnisse zu erwarten. Bürger/innen oder gesellschaftliche Gruppen agieren auch auf regionaler Ebene als Expert/innen ihrer Alltagswelt. Ihre Vorschläge sind in der Regel breit akzeptiert und bedürfnisgerecht.

Damit Partizipation auf Regionsebene erfolgreich sein kann, sind allerdings entsprechende Unterstützungsstrukturen notwendig. Dazu gehören beispielsweise feststehende Ansprechpartner für interessierte Bürger/innen und Gruppen, klare Regeln für den Informationsfluss sowie die Bereitstellung personeller und finanzieller Ressourcen. Nur aus einem Mindestmaß an Institutionalisierung kann sich die notwendige Kontinuität in der Beteiligung ergeben. Die durch kontinuierliche Information und Beteiligung in informellen Prozessen entstehende regionale Öffentlichkeit erleichtert auch die seit 2004 gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung in formellen Verfahren der Raumordnung und Regionalplanung. Konflikte können frühzeitig erkannt und beigelegt, Diskussionen durch frühzeitige Information und Beteiligung versachlicht werden.

Wichtig ist es, auf regionaler Ebene alle relevanten Akteursgruppen – gesellschaftliche Akteure, Expert/innen und Bürger/innen – einzubeziehen. Für die Institutionalisierung der Partizipation schlägt Dorothee Zschocke drei Säulen regionaler Beteiligung vor. Grundlage erfolgreicher Partizipation auf regionaler Ebene ist eine regionale Öffentlichkeit und Diskussionskultur. Sie ist Voraussetzung dafür, dass gesellschaftliche Akteure und Bürger/innen ein aufgeklärtes Selbstinteresse an regionalen Fragestellungen entwickeln und sich eine Meinung bilden können. Als Kern der Partizipation schlägt die Autorin daher ein Regionalforum vor. Weitere Bausteine der Partizipation auf regionaler Ebene sind die Einbeziehung von Expert/innen, beispielsweise im Rahmen von Gutachten oder Fachveranstaltungen sowie die direkte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Die direkte Bürgerbeteiligung ist insbesondere bei spezifischen, relativ konkreten Fragestellungen sinnvoll und unverzichtbar. Eine lebendige regionale Öffentlichkeit, wie sie durch das Regionalforum geschaffen werden kann, erleichtert die Aktivierung von Bürger/innen für eine Beteiligung an verschiedenen Projekten. Der Beteiligungsaufwand verringert sich deutlich.

Zschocke, Dorothee : Regionalisierung und Partizipation. Eine Untersuchung am Beispiel der Städteregion Ruhr und der Region Braunschweig. Beiträge Nr. 22, Bonn 2007, 272 S., ISBN 978-3-928053-94-5, ¤ 10,–, zu beziehen über die Bundesgeschäftsstelle, den Buchhandel oder www.mitarbeit.de.