mitarbeiten (3/2007)

Bürger/innenbeteiligung auf allen Ebenen

Bürgerbeteiligungsverfahren werden erfolgreich auf kommunaler Ebene eingesetzt. Bürgerbeteiligung über Sprach-, Kultur- und Landesgrenzen hinweg ist dagegen etwas Neues. Ziel des Projekts »Europäische Bürgerkonferenzen« war es, Bürger/innen aus allen EU-Mitgliedstaaten in lokalen, nationalen und europäischen Dialogveranstaltungen miteinander ins Gespräch zu bringen. Dabei wurde versucht, die Schwachstellen vieler Beteiligungsprozesse zu vermeiden: zu geringe Reichweite, die Teilnahme der »üblichen Verdächtigen«, die auf Zuhören und Informationsempfang reduzierte Rolle der Teilnehmer/innen sowie eine fehlende oder ungenügende Verankerung der Folgeaktivitäten.

Beim größten je durchgeführten europäischen Bürgerbeteiligungsprojekt diskutierten mehr als 1.800 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten ihre Vorstellungen zur Zukunft Europas. Verschiedene Auswahlkriterien (z.B. Alter, Geschlecht, sozial-ökonomischer Hintergrund, sowie länderspezifische Kriterien) stellten sicher, dass die Teilnehmer/innen die Vielfalt der Bevölkerung ihres Landes widerspiegelten. Während der Inhalt des Prozesses völlig teilnehmerbestimmt war, waren Prozess- und Veranstaltungszeitplan sowie Ergebnisform vorgegeben.

Zur Auftaktveranstaltung im Oktober 2006 kamen 200 zufällig ausgewählte Bürger/innen zusammen, um die Agenda der nationalen Veranstaltungen festzulegen. Zu Beginn hatten die Teilnehmer/innen die Möglichkeit, sich auf dem so genannten »Marktplatz« über aktuelle Themen zu informieren. Dieser ähnelte in seiner Konzeption einer »Open Space« Konferenz. Mit Hilfe einer dem »World Café« entlehnte Methode wurde die Diskussion im Folgenden fokussiert: Ein Redaktionsteam dokumentierte die in kleinen Tischgruppen entwickelten Ideen. Im Plenum wurden die Ergebnisse dann präsentiert. Die Bürger/innen stimmten mit Hilfe von TED-Geräte darüber ab.

Drei Themen kristallisierten sich als besonders wichtig heraus: Energie und Umwelt, Familie und Soziales wie auch Immigration und die globale Rolle der EU. Diese Themen wurden im Februar und März 2007 in 27 nationalen Dialogveranstaltungen mit jeweils 30 bis 200 Teilnehmer/innen weiter diskutiert und vertieft. Im Ergebnis ergab dies 27 nationale Visionen für das Europa der Zukunft. In einer Synthese-Veranstaltung wurden die Ergebnisse der 27 nationalen Veranstaltungen dann zusammengeführt. Aber auch auf lokaler Ebene diskutierten die Bürger/innen die drei Themenbereiche, so z.B. in 15 Bürgerforen in Deutschland, wo jeweils 50 zufällig ausgewählte Bürger/innen zusammenkamen, um die nationalen Ergebnisse zu reflektieren.

Das Projekt wurde von einem Netzwerk von Organisatoren der Zivilgesellschaft unter der Führung der belgischen König-Baudouin-Stiftung durchgeführt.
Im Rahmen der Tagung »Modelle der lokalen Bürger/innenbeteiligung«  (21.–23. September 2007 in Loccum) stellt Felix Oldenburg von der Kommunikationsberatung IFOK GmbH das Bürgerbeteiligungsprojekt vor.