mitarbeiten (2/2008)

Offenere und transparentere Beteiligungskultur

Der Verein Mehr Demokratie hat zusammen mit der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie an der Universität Marburg den ersten bundesweiten Bürgerbegehrens-Bericht vorgelegt. Demnach gab es in den letzten 50 Jahren bundesweit knapp 4.600 direktdemokratische Initiativen auf kommunaler Ebene, von denen über 40% erfolgreich verliefen. Insgesamt stellt der Bericht eine wachsende Bereitschaft der Politik fest, sich einer transparenteren Beteiligungskultur zu öffnen.

Im Untersuchungszeitraum 1956 bis 2007 lässt sich seit Mitte der 1990er Jahre ein bundesweiter Anstieg der direktdemokratischen Praxis beobachten. Die thematischen Schwerpunkte der in dem Zeitraum durchgeführten Verfahren bilden die Bereiche »Öffentliche Sozial- und Bildungseinrichtungen« mit 18 Prozent sowie »Verkehrsprojekte« mit 17 Prozent. Mehr als 10 Prozent erreichten auch die Bereiche »Wirtschaft« oder »Öffentliche Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen«.

Die zugelassenen Themen und die rechtlichen Spielregeln beeinflussen nicht selten den Erfolg oder Misserfolg direktdemokratischer Verfahren. In den einzelnen Bundesländern ist die direktdemokratische Praxis höchst unterschiedlich ausgestaltet. Die Studie zeigt, dass hohe (rechtliche) Verfahrenshürden und rigide Themenausschlüsse nicht nur die Anzahl der Verfahren reduziert, sondern auch eine hohe Anzahl an unzulässigen Begehren zur Folge haben.

Viele Bürgerbegehren in Bundesländern ohne anwendungsfreundliche Regelungen scheitern beispielsweise am so genannten Abstimmungsquorum, obwohl sie eine Mehrheit der Abstimmenden erreichten. Das Positiv-Beispiel Bayern hingegen zeigt, wie anwendungsfreundliche direktdemokratische Politik gehen kann: dort fanden seit der Verabschiedung entsprechender Gesetze 1995 in zwölf Jahren mehr als 1.750 Verfahren statt, das sind nahezu 40 Prozent aller Verfahren in der gesamten Bundesrepublik (1956 bis 2007). Die bayerische Bevölkerung profitiert davon, dass nur wenige Themen gesetzlich von Bürgerbegehren ausgeschlossen sind.

Zumeist sind die unzulässigen Themen in einem so genannten »Negativkatalog« aufgeführt: Dieser umfasst in der Regel Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung, die Haushaltssatzung, Gemeindeabgaben oder Finanzfragen der gemeindeeigenen Betriebe. In einigen Ländern (etwa in NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Brandenburg) ist zusätzlich die Bauleitplanung als ein weiterer Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung ausgeschlossen. Häufig sind auch finanzwirksame Bürgerbegehren nicht zugelassen.

Insgesamt ziehen die Autoren eine positive Bilanz der vergangenen direktdemokratischen Dekaden. Trotz vorhandener Defizite im Verfahren konstatieren sie einen wachsenden Bedarf der Bürgerinnen und Bürger an direkter Mitbestimmung (nicht nur) in Deutschland.

Der Bericht kann unter http://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdfarchiv/bund/2007-buergerbegehrens-bericht.pdf heruntergeladen werden.