mitarbeiten (2/2010)

»Sich für ein gutes Ziel engagieren«

Flüchtlinge sind weit entfernt von einer gleichberechtigten Beteiligung an Chancen und Möglichkeiten der Aufnahmegesellschaft. Die asyl- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen geben die Bedingungen vor, unter denen sie in Deutschland leben können. Insbesondere junge Menschen leiden unter dem rechtlichen Ausnahmezustand, der ihre gesellschaftliche Integration behindert. Eine neue Publikation der Stiftung MITARBEIT beleuchtet das bürgerschaftliche Engagement für Flüchtlinge und von Flüchtlingen. Die Beiträge geben Einblick in das vielfältige Engagement zivilgesellschaftlicher Akteure.

Wenn es um das bürgerschaftliche Engagement von und für Migrant/innen geht, sind Flüchtlinge eher selten im Blick, obwohl gerade sie in besonderem Maße auf Unterstützung und Hilfe angewiesen sind. Dabei gibt es viele engagierte Bürger/innen oder Initiativen, die Flüchtlinge in ihrem Lebensalltag unterstützen. Ein Beispiel ist Kai, der sich entschieden hat als Mentor für junge Flüchtlinge bei Xenion in Berlin aktiv mitzuarbeiten. »Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit der Frage, ob mich ein völlig selbstbezogenes Leben erfüllen kann oder nicht. … Es gibt unter uns Menschen, deren Situation weit problematischer ist, als es die eigenen Wehwehchen sind. … Ich denke, es ist für mich ein guter Zeitpunkt und der richtige Schritt, mich für ein gutes Ziel zu engagieren«.

Ob sie nun zufällig, über Bekannte oder gezielt über Einsatzmöglichkeiten informiert wurden: gemeinsam ist vielen Engagierten der Wunsch, Menschen, die ausgegrenzt werden, auf ihrem persönlichen Weg zu begleiten.

Die Einsatzbereiche und Unterstützungs­angebote sind dabei so vielfältig wie die Probleme der Flüchtlinge. Oft verstehen sich die Engagierten als »Brückenbauer/innen« zur Aufnahmegesellschaft. Damit sie den hohen Anforderungen in der Flüchtlingsarbeit gewachsen sind, nehmen viele Freiwillige Fortbildungs- und Begleitangebote von professionellen Fachkräften in Anspruch.

Nicht die individuellen Lebenslagen, sondern die asyl- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen geben die Bedingungen vor, unter denen Flüchtlinge in Deutschland leben. Besonders schutzbedürftig sind junge Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind und eine kind- und jugendgerechte Aufnahme und Förderung benötigen.

»Ich habe keine Perspektive in meinem Leben, weil ich nicht das Recht habe, in Deutschland zu bleiben. Trotzdem bin ich dankbar, dass Deutschland mich gerettet hat und ich noch lebe. Ein Leben ohne Perspektive aber lohnt sich nicht.« Jude steht stellvertretend für viele junge Menschen, die kein Asyl bekamen, mit ungesichertem Aufenthaltsstatus seit vielen Jahren in Deutschland leben und nur »geduldet« sind. Und dies bedeutet: Viele Türen, die Teilhabe ermöglichen, sind verschlossen oder nur schwer zugänglich.

Brigitte Mies-van Engelshoven zeigt in ihrem einführenden Beitrag, wie sich das Asyl- und Aufenthaltsrecht auf die Lebenslagen von jungen Flüchtlingen auswirkt und beleuchtet wichtige Lebensstationen junger Flüchtlinge: Die Einreise nach Deutschland, das Asylverfahren, die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingsfamilien und unbegleiteten minderjährigen Kindern und Jugendlichen wie auch die Angebote der schulischen und beruflichen Bildung.
Niels Espenhorst untersucht die Lebenslage von Kindern und Jugendlichen, die alleine und ohne Familieverband geflüchtet sind. Er zeigt das »Leben in der Zwischenwelt«, das in dem Widerspruch von Ausländerrecht und Jugendhilferecht begründet ist und fordert eine am Kindeswohl orientierte Unterstützung und Förderung.

Seit 1983 sind mehrere tausend Menschen bundesweit ins sogenannte Kirchenasyl genommen worden. Fanny Dethloff informiert über die Anfänge des Kirchenasyls in Deutschland und die rechtliche Diskussion über kirchlichen Widerstand. Ein konkretes Beispiel verdeutlicht, in welcher Form das Kirchenasyl Menschen in Not unterstützt.

Wie ehrenamtliche Vormünder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in ihrer Entwicklung und Integration unterstützen, zeigt Heike Winzenried. Als Einzelvormünder sind die Ehrenamtlichen unabhängig in ihrem Handeln und setzen sich ausschließlich für die Interessen der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen ein. Amelie von Griessenbeck und Andreas Meißner beschreiben das AKINDA-Netzwerk von Einzelvormundschaften.

Carmen Martinez Valdés berichtet, wie Jobpat/innen ihre beruflichen Kompetenzen und Netzwerke nutzen, um junge Flüchtlinge mit Duldungsstatus ehrenamtlich zu unterstützen.  Marlis Isernhinke und Katharina Quittmann stellen die partnerschaftliche Freiwilligenarbeit in unterschiedlichsten Projektfeldern der GGUA e.V. , Münster, vor.

Flüchtlinge haben keinen Anspruch, an einem Integrationskurs teilzunehmen. Marissa B. Turaç beschreibt, wie ehrenamtliche Dozentinnen Sprach- und Alphabetisierungskurse sowie  Begegnungen für Flüchtlingsfrauen entwickelt und zu einem festen Angebot ausgebaut haben. Damit wurde die Grundlage geschaffen, den Frauen einen ersten Schritt in ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Wie gesetzliche Regelungen Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus daran hindern, sich aktiv in unsere Gesellschaft einzubringen, zeigt Johanna Boettcher. Ein gelungenes Gegenbeispiel ist die bundesweite Initiative »Jugendliche ohne Grenzen«, in der sich Jugendliche für Flüchtlingsschutz und ihre Rechte engagieren.

Über ein Projekt zur gesellschaftlichen Partizipation und Vernetzung von jungen Flüchtlingen berichtet Goran Ekmescic. Er beschreibt praxisbezogene Ansätze und Formen der Beteiligung von Jugendlichen.
Wer sich ausführlicher über die Lebenslagen von Flüchtlingen, die gesetzlichen Grundlagen, das freiwillige Engagement und professionelle Akteure in der Flüchtlingsarbeit informieren möchte, findet ausgewählte Literatur und nützliche Hinweise im Anhang der Publikation.

Freiwilliges Engagement für Flüchtlinge und von Flüchtlingen, Beiträge zur Demokratieentwicklung Nr. 24, Verlag Stiftung MITARBEIT, Bonn 2010, ISBN 978-3-941143-05-0, 132 S., 10,– €, zu beziehen über den Buchhandel oder www.mitarbeit.de