mitarbeiten (3/2010)

Bürgerbeteiligung vor Ort

Planning for Real ist ein beteiligungsorientiertes Planungsverfahren, das seit einigen Jahren in Deutschland erfolgreich erprobt und angewandt wird. Der Name kann mit »Planung von unten« oder »Aktiv für den Ort« übersetzt werden. Planning for Real orientiert sich an den Prinzipien der aktivierenden Gemeinwesenarbeit und wurde in den 1970er Jahren von Tony Gibson im Rahmen der britischen Neighbourhood Initiatives Foundation entwickelt. Eine neue Publikation der Stiftung MITARBEIT stellt das Verfahren vor.

Planning for Real ermutigt Bürgerinnen und Bürger, bei der (Um-)Gestaltung ihrer unmittelbaren Wohn- und Arbeitsumgebung mitzuwirken – sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung von Maßnahmen. Somit eignet sich das Verfahren insbesondere zur Bearbeitung lokaler Fragestellungen. Ein Kerngedanke ist dabei die Ressourcenbündelung: Planning for Real ermöglicht es, Bewohner/innen, öffentliche Einrichtungen, Politik, Verwaltung und Unternehmen einer Gemeinde zusammenzubringen. Das Verfahren kann in sehr unterschiedlichen Bereichen angewendet werden: Wohn- und Wohnumfeldverbesserung, Nutzungskonzepte für Gebäude, bauliche und landschaftliche Gestaltung, Entwicklung von Stadtteilen und ländlichen Regionen oder Entwicklung von neuen Beschäftigungs- und Tätigkeitsfeldern. Typische Auftraggeber sind Kommunalverwaltungen, die damit häufig auf Initiativen betroffener Bürger/innen reagieren. Ein Kerngedanke des Verfahrens ist die Partizipation der Menschen vor Ort. Dabei werden die Schwellen für eine Beteiligung der Bürger/innen möglichst niedrig gehalten. Das Verfahren ist offen für alle Interessent/innen, die Zahl der Teilnehmer/innen nicht begrenzt.

Der Ablauf gliedert sich idealtypisch in acht Schritte, die sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen erstrecken. Ein grundlegendes Arbeitsprinzip ist die Verwendung visueller Hilfsmittel. Im Mittelpunkt steht dabei in der Regel der gemeinsame Modellbau, nachgebaut wird ein Ort, ein Gebäude oder eine ungenutzte Brachfläche. Über den Modellbau verschaffen sich die Akteure ein drei-dimensionales Bild des gemeinsamen Themas. Dabei ist das Modell kein unbewegliches Ausstellungsstück, sondern ein ständiges Arbeitsmittel, das fortlaufend erweitert, ergänzt und verändert wird.

Während einer zentralen Veranstaltung – bei der in der Regel auch Fachexpert/innen anwesend sind – legen die Teilnehmenden sogenannte Vorschlagskarten auf das Modell, um Ideen und Veränderungsvorschläge sichtbar zu machen. Aufgabe der Prozessbegleitung ist es, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der Bewohner/innen und Expert/innen (z.B. Vertreter/innen der kommunalen Verwaltung oder von Wohnungsbaugesellschaften) sich gemeinsam über ihre Erfahrungen und Ideen austauschen können. Es entsteht eine Atmosphäre des gemeinsamen Handelns (»working relationship«), die sonst üblichen ausschließlichen Rede-Beziehungen (»talking relationship«) treten zurück. Die Expert/innen begleiten den Prozess beratend (»experts on tap not on top«), die Bewohner/innen können sich mit Fragen, Problemen und/oder Vorschlägen an sie wenden. Nach der Auswertung der Vorschlagskarten geht es im letzten Verfahrensschritt darum, Prioritäten zu setzen, eine konkrete Zeit- und Arbeitsplanung zu vereinbaren und einen Aktionsplan zu verabschieden.

Die Autor/innen der Publikation stellen die einzelnen Verfahrensschritte, Arbeits- und Kommunikationsprinzipien und die klassischen Stolpersteine des Verfahrens ausführlich, anschaulich und handlungsorientiert vor. Die zahlreichen Praxisbeispiele machen das gemeinwohlorientierte und demokratiefördernde Potenzial der Methode deutlich.

Wie die Praxiserfahrungen zeigen, gründet der Erfolg des Verfahrens auch darin, dass es in den porträtierten Städten, Kommunen und Gemeinden gelungen ist, die sektoralen und fachdisziplinären Grenzen und Planungsroutinen zu überwinden. Auf den Ebenen der Verwaltung, der Wohnungswirtschaft und der Politik bewirkt ein Planning for Real-Prozess in der Regel immer auch eine Sensibilisierung für den Ort und seine Bewohner/innen. Es entstehen belastbare und nachhaltige Partnerschaften zwischen Bewohner/innen, Verwaltung und Politik. In allen vorgestellten Fällen hat sich Planning for Real zudem als leicht zu lernendes, alltagstaugliches, lebensweltnahes und sozialraumorientiertes sowie sinnlich erfahrbares Instrument der Bürgerbeteiligung erwiesen.

Fazit: Bürgerschaftliches Engagement ist eine wesentliche Ressource für die Entwicklung von Städten und Gemeinden. Das durch Planning for Real-Prozesse angeregte Engagement schafft Lebensqualität vor Ort und kann durch innovative Handlungsansätze zu einer Stärkung der lokalen Demokratie und zu einer Revitalisierung der kommunalen Selbstverwaltung beitragen.  

Schwarz, Claudia et al.: Planning for Real – Praxiserfahrungen mit einem gemeinwesen­orientierten Beteiligungsverfahren. Arbeitshilfen für Selbsthilfe- und Bürgerinitiativen Nr. 40, Verlag Stiftung MITARBEIT, Bonn 2010, ISBN 978-3-941143-08-1, € 10,–, zu beziehen über den Buchhandel oder über den Onlineshop von www.mitarbeit.de