mitarbeiten (2/2011)

»Partizipation ist ein Schlüssel zur Integration«

Mari Steindl ist Geschäftsführerin des Interkulturellen Zentrums der Stadt Wien und seit mehr als 15 Jahren in den Bereichen Interkulturelle Kompetenzen, Diversitätsmanagement, Migration und Integration tätig. Im Gespräch mit der Redaktion erläutert die Wienerin, warum die Partizipation von Migrant/innen ein notwendiger Schlüssel zur Integration ist.

Die Praxis zeigt: Es ist nicht immer einfach, Migrant/innen zu erreichen und zu beteiligen. Wie schaffen Sie es, die verschiedenen Akteure zusammenzubringen?
Steindl: Um den Kontakt zur Zielgruppe der Migrant/innen herzustellen und sie in den Prozess einzubeziehen, gibt es kein allgemeingültiges Patentrezept. Nicht alles, was in der einen Kommune funktioniert, funktioniert auch in der anderen. Wichtig ist, dass man in den Migranten-Communities Schlüsselpersonen identifiziert, mit ihnen in Kontakt tritt und versucht, sie von der Mitarbeit zu überzeugen. Das klappt in der Regel recht gut. Ein Punkt ist sicher auch, dass man den Vereinen und Organisationen der Migrant/innen die Möglichkeit gibt, sich zu beteiligen. Die Migrantenorganisationen sind immer sehr interessiert, mitzureden und mitzubestimmen. Oftmals am schwierigsten ist es, die Verantwortlichen in der Verwaltung zum Mitmachen zu bewegen – das ist häufig schwieriger zu erreichen, als die Beteiligung der Menschen vor Ort.

Was ist der entscheidende Punkt für eine gelingende Integration?
Steindl: Ich glaube, ein wichtiger Punkt in der Integrationsarbeit ist, dass wir wegkommen von einer zu starken Kulturalisierung. Viele Konfliktsituationen werden als kulturell definiert, die bei näherer Betrachtung eigentlich keine kulturellen Fragen sind, sondern soziale Fragen oder Fragen der Beteiligung. Im Schulbereich begegnet mir das sehr oft. Lehrer/innen sagen, ja, wir haben einen interkulturellen Konflikt, bloß weil daran ein Serbe und ein türkischer Jugendlicher beteiligt ist. Dahinter steckt die Ansicht, dass der Konflikt aus kulturellen Gründen nicht lösbar ist. Sobald man den Konflikt jedoch als sozialen Konflikt definiert, gibt es sofort mehr Handlungsmöglichkeiten und auch mehr Handlungsbedarf.

Neben eine Kulturalisierung tritt zudem in letzter Zeit eine starke religiöse Konnotierung der Konflikte. Das führt vielfach dazu, dass Menschen mit muslimischem Glauben stigmatisiert werden. Dies gilt es zu überwinden. Ein zweiter Punkt ist: man muss sich für die Lebenswelten der Menschen vor Ort interessieren, egal ob das Migranten/innen sind oder Einheimische. Wie stellen wir uns das Zusammenleben vor, auf kommunaler Ebene, auf Länderebene, auf Bundesebene? In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Es geht darum, eine positive Integrationsarbeit, eine positive Integrationspolitik zu entwickeln. Dazu gehört auch ein politisches Bekenntnis, dass Einwanderung erwünscht ist.

Wer Integration will, muss von Partizipation reden. Was sind die wichtigsten Schritte für eine Stärkung der Teilhabe von Migrant/innen?
Steindl: Ich denke, es geht um die Verwirklichung eines integrationspolitischen Dreiecks. An der Spitze steht die rechtliche Teilhabe, und da geht es schlicht und einfach um das Wahlrecht. Das ist ein zentraler Punkt. Politische Partizipation ist ein Schlüssel zu einer gelungenen Integration. Ein zweiter Punkt ist die Chancengleichheit am Markt, das kann der Bildungsmarkt sein, das kann der Arbeitsmarkt sein, das kann aber auch der Markt an Partizipation sein. Ein dritter Punkt ist die Förderung und Akzeptanz von kultureller Vielfalt, wobei ich kulturell in Klammern setzen will. Ich denke, wir sind eine vielfältige Gesellschaft und es muss insgesamt darum gehen, einen positiven Zugang und Umgang mit dieser Vielfalt zu finden. Ich glaube, das wäre ein Konzept, mit dem wir gut leben könnten.

Ein Video-Ausschnitt des Interviews steht im Netz unter www.mitarbeit.de/1108.html.