mitarbeiten (4/2012)

Die grüne Guerilla

Gemüseanbau in ausgedienten Bäckerkisten, Jungpflanzen in Tetrapacks, Kapuzinerkresse im Einkaufswagen: Urbane Gemeinschaftsgärten verbinden auf brachliegenden städtischen Flächen Umwelt- und Naturschutz mit bürgerschaftlichem Engagement, Partizipation und demokratischer Stadtentwicklung von unten. Ob in Berlin, Köln, München oder Hamburg: diese gärtnernde Form gesellschaftlicher Selbstorganisation findet sich in immer mehr Städten in Deutschland.

Was macht das Gärtnern in der Stadt für viele Menschen so attraktiv? Für Christa Müller, Leiterin der Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis, ist die Antwort ganz einfach: Urbane Landwirtschaft ist für sie der Ausgangspunkt einer Suche nach dem »besseren Leben« in der Stadt, das nicht auf der Ausbeutung von Tieren, Böden und Menschen in den Ländern des Südens beruht, sondern mit saisonalen und regionalen Qualitäten experimentiert und die lebendigen Beziehungen und Netzwerke zwischen Menschen und Natur intensivieren will.

Die Soziologin sieht die Umrisse einer neuen weltweiten Ökobewegung. Demnach ist Urban Gardening von Anfang an ein internationales Phänomen. In den Ländern des Südens ist der mobile Anbau in den Slums und an den Rändern der Megastädte eine nahe liegende Überlebensproduktion. Demgegenüber gehen die westeuropäischen Aktivist/innen eher spielerisch ans gärtnerische Werk, gleichwohl aber mit politischem Anspruch. Die noch junge Ökobewegung hat die kleinbäuerliche Wirtschaft und Kultur wiederentdeckt. Laut Müller ist die Bewegung »jung, bunt und sozial eher heterogen«, Akademiker/innen gärtnern mit Migrant/innen, Hartz-IV-Empfänger/innen mit Künstler/innen.

Durch Gemeinschaftsgärten, Kiezgärten, interkulturelle Gärten oder Nachbarschaftsgärten rücken zudem die Gemeingüter wieder stärker ins Blickfeld, beinahe vergessene Begriffe wie »Allmende« erleben eine Renaissance. Diese gemeinwohlorientierte Entwicklung ist für Müller ein Hinweis auf die Kulturtechniken der Zukunft: »weniger kaufen, dafür mehr gemeinschaftlich nutzen, teilen, schenken, leihen, reparieren«. Als eine Konsequenz daraus fordert Müller die Kommunen auf, öffentliche Räume vor partikularen Interessen zu schützen und für Bewohner/innen frei zu halten. Denn die mit den neuen Gärten verknüpften Demokratisierungsprozesse stehen für »Teilhabe in einer pluralen und produktiven Stadt«.

Der Beitrag von Christa Müller als PDF online unter www.buergergesellschaft. de.