mitarbeiten (2/2013)

Leitlinien guter Beteiligung

Bürgerbeteiligung muss bestimmten Standards genügen, wenn sie demokratische Anforderungen erfüllen und für alle Beteiligten zufrieden stellend und gewinnbringend sein soll. Deshalb ist es notwendig, sich über die wesentlichen Anforderungen an eine gute Bürgerbeteiligung zu verständigen, wenn man partizipative Verfahren umsetzt. Vor diesem Hintergrund hat das von der Stiftung Mitarbeit initiierte Netzwerk Bürgerbeteiligung in den vergangenen Monaten Qualitätskriterien für die konkrete Beteiligungspraxis erarbeitet.

Was ist gute Bürgerbeteiligung? Diese Frage bestimmt die aktuellen Diskussionen über Beteiligungsverfahren. Das Netzwerk Bürgerbeteiligung hat sich diese Frage gestellt und liefert mit einem ausführlichen Positionspapier erste Antworten. Das vorgelegte 10-Punkte-Programm definiert Standards der Bürgerbeteiligung und will es damit zukünftig allen relevanten Akteuren erleichtern, ihre Beteiligungsprozesse vor Ort selbst einzuschätzen und zu verbessern. Zu Beginn widmet sich das Papier grundsätzlichen Fragen: Was ist mit Bürgerbeteiligung überhaupt gemeint und wer soll beteiligt werden? Die Netzwerker/innen verstehen Bürgerbeteiligung als »Partizipation an politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen«. Als Bürgerinnen und Bürger werden alle »Einwohnerinnen und Einwohner unabhängig von ihrem Alter und ihrer Staatszugehörigkeit« identifiziert. Die Qualitätskriterien richten sich an alle, die Beteiligungsverfahren initiieren und durchführen wollen: Kommunen, Länder, Bund wie auch wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteure.

Klar ist: Eine konstruktive Grundhaltung aller beteiligten Akteure ist eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von Bürgerbeteiligungsprozessen. Gute Bürgerbeteiligung braucht die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Dialog auf Augenhöhe ebenso wie Ressourcen und klare Ziel- und Rahmensetzungen. Zum Erfolg von Partizipationsverfahren trägt zudem bei, die Zielsetzungen, Rahmenbedingungen und Aufgabenstellungen offen und transparent zu kommunizieren. Dies kann verhindern, dass Enttäuschungen provoziert werden. Zudem ist es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger nicht erst dann zu beteiligen, wenn alle grundlegenden Entscheidungen bereits getroffen sind. Ganz im Gegenteil: Die Einwohner/innen sollten so frühzeitig einbezogen werden, dass wesentliche Weichen eines Projekts oder Vorhabens noch gestellt werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um Vorhaben handelt, die massiv in die Lebenssituationen der Einwohnerinnen und Einwohner eingreifen oder kommunale Ressourcen auf viele Jahre binden. Wenn Bürgerbeteiligung lediglich dem »Akzeptanzmanagement« von bereits feststehenden Entscheidungen dient, kann dies schnell zu Enttäuschungen bei den beteiligten Bürgerinnen und Bürgern führen. 

Die Praxis zeigt, dass sich mit gelungener Bürgerbeteiligung stets auch ein hohes Maß an Verbindlichkeit und Verlässlichkeit verbindet. Der Übergang der Ergebnisse in den politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozess sollte deshalb bereits zu Beginn eines Beteiligungsverfahrens festgelegt und zwischen den beteiligten Akteuren gemeinsam verbindlich vereinbart werden. Die Ausgestaltung des Beteiligungsprozesses trägt dann dieser Vereinbarung Rechnung. Die Verantwortlichen in Politik, Verwaltung, Unternehmen und Zivilgesellschaft verpflichten sich, gemeinsam mit den Einwohner/innen getroffene Entscheidungen anzuerkennen und das erarbeitete Vorgehen mitzutragen. Gute Beteiligung braucht zudem immer eine sorgfältige und kompetente Gestaltung des Beteiligungsprozesses. Nicht zuletzt ermöglicht gute Bürgerbeteiligung die Mitwirkung aller relevanten Akteursgruppen. Ein wichtiges Qualitätskriterium von Beteiligungsprozessen ist deshalb die unmittelbare Ansprache verschiedener Akteursgruppen vor Ort.

Insgesamt sind in Zukunft verstärkte Anstrengungen notwendig, um schwer erreichbare Gruppen für die Teilnahme an Beteiligungsprozessen zu gewinnen und diese durch die Auswahl geeigneter Methoden angemessen in Beteiligungsverfahren einzubeziehen.

Abschließend stellt das Papier heraus, dass sich eine kommunale Beteiligungskultur am besten durch die konkrete Beteiligungspraxis in der Kommune entwickelt. Mit Menge, Intensität und Breite der Beteiligungsmöglichkeiten wachsen zugleich die demokratischen Handlungskompetenzen sowie das aktive Demokratieverständnis aller Beteiligten – dadurch kann in der Folge eine neue alltagstaugliche und beteiligungsfreundliche politische Kultur entstehen.

Die Qualitätskriterien sind als »lebendes Dokument« zu verstehen. Im Laufe der Zeit werden immer wieder Veränderungen und Ergänzungen dieses Papiers notwendig sein. In einem nächsten Schritt will das Netzwerk Bürgerbeteiligung auf Basis der Qualitätskriterien Materialien für die Bewertung lokaler Beteiligungsprozesse entwickeln, auch vertiefende Kriterienkataloge für besondere Themenfelder, beispielsweise zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, sind geplant.

Mehr Informationen zum Netzwerk Bürgerbeteiligung und den Qualitätskriterien unter www.netzwerk-buergerbeteiligung.de