mitarbeiten (1/2014)

Postwachstum von unten

Auf den ersten Blick haben Wasser und Wissen, Erbgut und Erdatmosphäre nichts gemeinsam. Bei näherem Hinschauen zeigt sich: diese sogenannten Gemeingüter gehören zur Grundlage menschlichen Lebens. Doch in der Praxis gehen Gemeingüter der Gesellschaft immer mehr verloren, weil sie der allgemeinen Verfügung entzogen oder so stark beansprucht werden, dass eine natürliche Regeneration kaum mehr möglich scheint. Doch wie kann es gelingen, mit gemeinsam genutzten Dingen so umzugehen, dass alle Menschen ihre Bedürfnisse langfristig befriedigen können? Und was hat das alles mit Demokratie zu tun? Ein aktueller Themenschwerpunkt im eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft der Stiftung Mitarbeit bietet einen Einstieg ins Thema.

Gemeingüter, auch Commons genannt, sind so alt wie die menschliche Gesellschaft. Viele unterschiedliche Dinge können zu Commons werden: Grund und Boden, Saatgut, Rohstoffe, Wasser, Wissen, Kunst und Kultur, ein Gesundheits- oder Bildungssystem, Software und anderes mehr. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem vorindustriellen England. Die Grundrechte der Menschen sollten seinerzeit durch Nutzungsrechte an »commons« abgesichert werden. Commons werden bis heute durch die Art der Nutzung bestimmt und durch kollektives Handeln gepflegt und erhalten. Sie unterliegen keinem Wachstumszwang und schlagen so eine Brücke zu Formen solidarischer Ökonomie.

Die Begriffe Commons, Gemeingüter und Allmende sind vor diesem Hintergrund verknüpft mit den Diskussionen um eine Postwachstumsgesellschaft und die Suche nach einem alternativen Wirtschaftsmodell. Commons sind dabei stets demokratische Orte der Selbstorganisation, Autonomie und Kooperation. Sie erfordern demokratische Aushandlungsprozesse von unten und sind bestimmt durch »polyzentrische Governancesysteme« (Elinor Ostrom) und hierarchiefreie Netzwerke. 

In den letzten Jahren hat sich eine weltweite Commonsbewegung formiert, in der sich digitale, kulturelle, ökologische und soziale Commonsaktivisten vernetzen, um einen allmendebasierten Umgang mit Gütern, Geld und Menschen zu etablieren.

Drei Praxisbeispiele stellt der eNewsletter vor. Das Allmende-Kontor Berlin ist eine zivilgesellschaftliche Initiative, die sich für die Vernetzung von Berliner und Brandenburger Gemeinschaftsgärten und Projekten der urbanen Landwirtschaft engagiert. Ziel des Projekts ist das Zurückholen der Allmende, die Aufwertung der alltäglichen und gemeinschaftlichen Dimensionen des Lebens in der Stadt. Die Kampagne für Saatgut-Souveränität setzt sich für die Erhaltung und Ausweitung der Sortenvielfalt in Landwirtschaft und Gartenbau und für eine eigenständige bäuerliche Saatgutproduktion ein. Im Konfliktfeld zwischen geistigen Monopolrechten, Eigentum und öffentlichen Gütern agiert die Initiative med4all. Sie setzt sich für Medizinpatente mit Sozialklauseln ein und zeigt, wie Forschungsergebnisse mittels einer veränderten Lizenzpolitik zum Gemeingut gemacht werden und so den größtmöglichen gesellschaftlichen Nutzen erbringen können.

Der eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft im Netz unter www.buergergesellschaft.de