mitarbeiten (4/2014)

Bürgerhaushalte neu denken

Bürgerhaushalte haben sich in den vergangenen Jahren in der bundesdeutschen Beteiligungslandschaft etabliert, ohne zu einer »Massenbewegung« geworden zu sein. Prof. Dr. Roland Roth, Politikwissenschaftler an der Hochschule Magdeburg-Stendal, plädiert im Interview mit der Redaktion dafür, die aktuelle Praxis der Bürgerhaushalte kritisch zu hinterfragen. Angesichts vieler offenkundiger Mängel des Verfahrens müssten die jetzigen Bürgerhaushaltskonzepte neu gedacht werden.

Die in Deutschland praktizierten Bürgerhaushalte setzen überwiegend auf webbasierte Beteiligungsverfahren. Deliberative und zielgruppenadäquate Verfahren sowie eine Integration in kommunale Beteiligungskonzepte sind eher die Ausnahme als die Regel. Im Gespräch konstatiert der Politikwissenschaftler Roth vor diesem Hintergrund ein »großes Unbehagen an der praktizierten Form der Bürgerhaushalte« in deutschen Kommunen. Bürgerhaushalte als »Elemente lokaler Beteiligungskultur« trügen in der kommunalen Praxis nicht wie beabsichtigt zur »Demokratiesteigerung« bei. So sei beispielsweise der ursprünglich im Verfahren angelegte »Nachteilsausgleich«, also die »Umkehrung von kommunalen Prioritäten zugunsten von benachteiligten Bevölkerungsgruppen« überwiegend nicht gelungen; deshalb falle es schwer, auch beteiligungsferne Menschen einzubeziehen und für diese Form der Bürgerbeteiligung zu gewinnen.

Eine Möglichkeit, über das gängige »Vorschlagswesen« deutscher Bürgerhaushalte hinauszugehen, sieht der Wissenschaftler deshalb in sog. Stadtteilfonds. Deren Grundidee: Eine garantierte Summe öffentlicher Mittel steht bestimmten Bevölkerungsgruppen (etwa den Einwohner/innen eines Stadtteils) für bestimmte Zwecke zur Verfügung. Der Beteiligungsexperte Roth sieht hier großes Potential, denn Stadtteilfonds wie in Berlin-Lichtenberg böten die Chance »selbst etwas zu gestalten und das in einer demokratischen Weise mit anderen Betroffenen im Quartier abzustimmen«. Auf diese Weise könnte dem bisherigen »Top Down-Angebot von Bürgerhaushalten« ein Prozess von unten entgegengesetzt werden. Dies würde die emanzipatorische und demokratische Qualität des Prozess stärken und die »Beteiligung daran attraktiver machen«.

Wieso die parlamentarische Anbindung eines Stadtteilfonds wichtig ist, sehen Sie im Videomitschnitt des Gesprächs.