mitarbeiten (2/2015)

»Unternehmen müssen auf Beteiligung vorbereitet sein«

Unternehmen denken um und begreifen das Thema Bürgerbeteiligung bei der Umsetzung eigener Projekte nicht mehr als Kür, sondern als Pflicht. Doch wie können sich Unternehmen auf Beteiligungsverfahren vorbereiten? Welche internen Vernetzungen und strategischen Ressourcen müssen in Unternehmen geschaffen werden? Henning Banthien, geschäftsführender Gesellschafter der IFOK GmbH, erläutert im Gespräch mit der Redaktion, wie sich das Selbstverständnis von Unternehmen durch Bürgerbeteiligung wandelt.

Als Kommunikationsagentur berät IFOK neben Stadtverwaltungen und Politik auch Wirtschaftsunternehmen zu Beteiligungsprozessen. Wie läuft die Zusammenarbeit mit Unternehmen üblicherweise ab?

Henning Banthien: Ganz zu Beginn steht natürlich die Frage: um was geht es? Geht es um eine rein interne Strategiebildung zum Thema, geht es um eine Produktentwicklung oder um eine Projektentwicklung? Nehmen wir an, es muss ein Einkaufszentrum in der Stadt gebaut werden, dann wäre die erste Frage: wie ist der Stand der Planung und worüber will das Unternehmen mit den Bürgerinnen und Bürgern oder anderen Stakeholdern und Interessengruppen reden? Eignet sich das Vorhaben für partizipative Verfahren, will das Unternehmen das überhaupt?

Welche Erfahrungen machen Sie, wenn Unternehmen ganz neu mit Beteiligung in Kontakt kommen?

Bürgerbeteiligung ist für Unternehmen ein neues Terrain, mit dem viele Sorgen und Befürchtungen verbunden sind. Welche Rolle Bürgerbeteiligung spielt, hat deshalb viel mit dem Selbstverständnis des Unternehmens zu tun. Manche Unternehmen erkennen zwar die Bedeutung des Themas, sind aber froh, wenn der Beteiligungsprozess außerhalb des eigenen Hauses stattfindet. Die lagern den Prozess komplett an uns aus, schauen sich die Ergebnisse an und überlegen dann, wie sie damit umgehen. Andere Unternehmen stellen sich heute eher die Frage: Sind wir intern und strategisch auf Bürgerbeteiligungsprozesse vorbereitet, können wir das? Das reicht ja weit in die interne Organisationsentwicklung hinein.

Wie sieht dieser Organisationsentwicklungsprozess aus?

Ein Unternehmen muss auf Bürgerbeteiligung vorbereitet sein und sich einbringen können. Ein Beispiel: wenn Ergebnisse vorliegen, wie reagiert das Unternehmen darauf, wer befasst sich im Unternehmen damit, wer ist dafür zuständig? Und ist derjenige, der zuständig ist, auch derjenige, der intern die inhaltliche Abstimmung beispielsweise mit den Fachabteilungen leisten kann? Und wer gibt im Unternehmen die verbindliche Rückmeldung an die Bürgerschaft?

An diesen Fragen erkennt man, welche offenen Fragen intern gelöst sein müssen, bevor ein Unternehmen in den Beteiligungsprozess einsteigen kann. Die zuständigen Mitarbeiter/innen brauchen ein Mandat, sie brauchen Kompetenz, und die Unternehmen müssen interne Personal- und Wissensressourcen bereitstellen.

Grundsätzlich ist Bürgerbeteiligung etwas anderes als Pressearbeit oder Lobbyarbeit; Bürgerbeteiligung ist ein eigenes Handwerk, das muss ich können.

Gibt es bei Unternehmen ein Umdenken in diese Richtung?

Eindeutig ja. Ein wesentlicher Punkt ist, dass die Unternehmen erkannt haben, Bürgerbeteiligung ist nicht die Kür, sondern die Pflicht. Wenn ich eine Brücke baue, muss ich die Statik beachten, sonst ist die Brücke schlecht ge­plant. Und so muss ich eben auch die Bürger/innen bei einem Vorhaben beachten, sonst ist das schlecht geplant. Und interessanterweise sagen das gerade die Controller in den Unternehmen, weil die wissen, wenn ein Projekt nicht mit den Bürgern und der Politik abgestimmt ist, können wir nicht verlässlich planen. Dann wird die Inbetriebnahme schwierig, das kostet Geld. Deshalb glaube ich, dass Bürgerbeteiligung in Zukunft für immer mehr Unternehmen zur selbstverständlichen Routine wird.

Es gibt vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) Richtlinien, die in diese Richtung gehen. Wie schätzen Sie diese ein?

Die 7001er-Richtlinie ist ein praxisorientierter Leitfaden für Planer, Ingenieure, Vorhabensträger, Behörden. Sie setzt einen Rahmen und informiert über Standards guter Beteiligung. Die 7000er-Richtlinie stellt vor allem die Frage: Was muss ein Unternehmen oder eine Organisation intern tun, wie muss sie sich vorbereiten, bevor sie in solche Verfahren rein geht? 

Ich glaube, beide zusammen genommen sind wirklich ein sehr, sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung, weil sie allen Beteiligten Orientierungsmarken bieten, die ihnen in der Praxis der Bürgerbeteiligung helfen können.

Ein Blick in die Zukunft: Wie wird die Entwicklung bei den Unternehmen aus Ihrer Sicht weitergehen?

Zwei Dinge sind für Unternehmen wichtig: Zum einen gehört Bürgerbeteiligung zunehmend zum selbstverständlichen und professionellen Risiko- und Chancenmanagement eines Unternehmens. Viel wichtiger ist aber, dass Unternehmen zunehmend verstehen, dass sie nur durch Bürgerbeteiligung zu guter Planung kommen, zu guten Produkten, zu guten Strategien. Kluge Innovation bindet Nutzer/innen, Bürger/innen oder andere Stakeholder in die Entwicklung ein. Ich glaube, das wird das Selbstverständnis von Unternehmen sehr stark prägen, wenn sie in Zukunft erfolgreich am Markt unterwegs sein wollen.

Das vollständige Gespräch im Video unter: www.mitarbeit.de/video-interviews.html