mitarbeiten (3/2015)

»Verständigung darüber, was Bürgerbeteiligung bedeutet«

Die Praxis zeigt: Politik, Verwaltung und Bürger/innen haben immer wieder ganz unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen an Bürgerbeteiligung. Vor Ort konkurrieren diese Vorstellungen dann um die Deutungshoheit. Marie Hoppe war bis 2015 Mitglied der bremischen Bürgerschaft und dort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Sprecherin für Bürgerbeteiligung und Bürgerschaftliches Engagement. Im Gespräch wirft sie einen Blick auf die Wertewelt der Bürgerbeteiligung.

Frau Hoppe, Sie haben in einer Studie die Einstellungen von Politik, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern zu Bürgerbeteiligung untersucht. Dazu haben Sie eine Reihe ausführlicher tiefenpsychologischer Interviews mit Akteuren aus den drei Bereichen geführt. Was sind deren zentrale Ergebnisse?

Marie Hoppe: Einig sind sich alle darin, dass es einen Paradigmenwechsel in der Politik geben wird, weg vom rein repräsentativen System, hin zu mehr direkter Beteiligung. Allerdings befürworten nicht alle befragten Akteure diesen Paradigmenwechsel.

Wer sind diese Akteure und welche Argumente führen sie an?

Ich habe in meiner Studie drei Wertemuster identifiziert. Eine häufig gehörte These von Führungspersonen aus Politik und Verwaltung lautet: Bürger/innen sind nicht kompetent genug und werden eigentlich nur dann aktiv, wenn es ihre Einzelinteressen betrifft. Diese Gruppe steht auf dem Standpunkt, dass Bürgerinnen und Bürger nicht in der Lage sind, das Allgemeinwohl­interesse zu vertreten. Sie wollen die Bürger/innen zwar anhören, sie aber nicht mitentscheiden lassen. Dieser Gruppe stehen diejenigen in Politik und Verwaltung gegenüber, die sagen, Beteiligung ist gut, aber nur dann, wenn sie in geregelten Verfahren abläuft. Die dritte Gruppe sind hauptsächlich Bürgerinnen und Bürger, die einen ganz anderen Blickwinkel auf Politik und Beteiligung haben. Sie haben das Gefühl, dass Politik abgeschottet ist, dass Politiker/innen über ihre Köpfe hinweg entscheiden. Diese Gruppe will Zugang, sie wollen mitmachen und mitreden können, sie wollen Teil der Politik sein.

Welche Empfehlungen haben Sie, um diese gegensätzlichen Positionen zusammenzuführen?

Zu aller erst muss eine Verständigung darüber stattfinden, was Bürgerbeteiligung bedeutet. Dazu ist es wichtig, dass es Leitlinien zur Bürgerbeteiligung gibt, dass es professionelle Kompetenzstellen in Politik und Verwaltung gibt, die in der Lage sind, qualitativ sehr gute Beteiligungsprozesse zu machen. Nur durch gute Ergebnisse lassen sich die Skeptiker davon überzeugen, dass durch Beteiligung nicht bloß diejenigen Recht bekommen, die am lautesten schreien, sondern dass für alle Seiten gute Lösungen erarbeitet werden können. Ich denke aber auch, dass die Bürgerinnen und Bürger Druck machen müssen, dass Beteiligung auch eingefordert werden muss, damit es von Politik und Verwaltung nicht heißt: nein, nein, wir machen das so, wie wir das immer gemacht haben.

Marie Hoppe: Wertewelt Bürgerbeteiligung. Eine Studie zu den Einstellungen von Politik, Verwaltungen und Bürger/innen. mitarbeiten.skript Nr. 07, Verlag Stiftung Mitarbeit, Bonn 2014, 64 S., 8,– Euro, ISBN 978-3-941143-19-7, zu beziehen über den Buchhandel oder unter: www.mitarbeit.de

Hier finden Sie das Video-Interview mit Marie Hoppe im Rahmen des »Forums für Bürgerbeteiligung und kommunale Demokratie«: Video-Interview.