mitarbeiten (2/2016)

Zwischen Jubel und »Gewinnwarnung«

Die aktuelle Ausgabe des Freiwilligensurveys (FWS) wartet auf mehr als 640 Seiten mit Zahlen und Daten zur bundesdeutschen Engagementlandschaft auf. In einem Beitrag für den eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft der Stiftung Mitarbeit haben die beteiligten Wissenschaftler/innen des Deutschen Zentrums für Alters­fragen einige Kernergebnisse der Untersuchung vorgestellt.

Demnach sind im Jahr 2014 43,6 % der Bevöl­ke­rung ab 14 Jahren freiwillig engagiert – das entspricht knapp 31 Millionen Menschen. Die Engagementquote der letzten FWS-Erhebung im Jahr 2009 lag noch bei etwa 36 %. Die meisten Menschen sind im Bereich Sport (16,3 %) aktiv, gefolgt von den Bereichen Schule/Kindergarten und Kultur. Dabei engagieren sich Menschen mit hoher schulischer/beruflicher Ausbildung häufiger (52,3 %) als Personen mit niedrigem Bildungsniveau (28,3 %). Frauen sind etwas weniger aktiv als Männer.

Der FWS enthält auch Zahlen zur politischen Partizipation der Bürgerinnen und Bürger. Dabei steht die Teilnahme an Unterschriftensammlungen (43,4 Prozent) an erster Stelle, gefolgt von der Teilnahme an Demonstrationen (32,2 Prozent) und an Bürgerinitiativen (22,5 Prozent). Die Übernahme von politischen Ämtern oder anderweitiger politischer Verantwortung spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle.

Um die soziale Ungleichheit im Feld von Engagement und Beteiligung nicht weiter zu verschärfen, empfehlen die beteiligten Wissenschaftler/innen, dass Engagementförderung und -politik zukünftig noch stärker die Mitwirkung derjenigen Bevölkerungsgruppen in den Blick nehmen muss, die sich unterdurchschnittlich engagieren und deutlich weniger am politischen Prozess beteiligen. Hier gelte es für Bund, Länder, Kommunen und Zivilgesellschaft, »Anreize und förderliche Rahmenbedingungen« zu schaffen, um »systematische Zugangswege« zu eröffnen.

Neben zustimmenden Kommentaren aus der Politik gibt es auch Kritik an den vorgelegten Zahlen. So spricht der Politikwissenschaftler und Demokratieforscher Roland Roth eine »Gewinnwarnung« aus, und weist darauf hin, dass die ermittelten Zahlen einer veränderten Methodik und einem »entleerten Engagementbegriff« geschuldet sind. Er kritisiert insbesondere den für den FWS neu entwickelten Kriterienkatalog zum Bürgerschaftlichen Engagement, der bewusst auf die Dimensionen »Freiwilligkeit« und »Gemeinwohlorientierung« ver-zichte. In der Folge würden deshalb Tätigkeiten als freiwilliges Engagement gewertet, die bislang nicht berücksichtigt wurden. Als Beispiel für die »Aufblähung der Engagement zahlen« führt Roth an, dass jetzt bereits der im Verein Sport treibende Fußballtorwart als freiwillig engagiert gewertet werde. Sein Fazit: Der FWS 2014 sei mit seinen Vorgängern »in zentralen Punkten nicht vergleichbar«, »jede Aussage über Steigerungsraten [sei damit] hinfällig«.

Simonson, Julia/ Vogel, Claudia/ Tesch-Römer, Clemens: Wer engagiert sich frei willig? Kernergebnisse des Deutschen Freiwilligensurveys 2014, www.buergergesellschaft.de/enewsletter_freiwilligensurvey; Roth, Roland: Gewinnwarnung zum Freiwilligensurvey 2014. In: BBE-Newsletter 10/2016.