»Öffentlicher Raum kann mehr sein als Parkbank, Blumenbeet und Mülleimer«
Das Projekt »Bella Park« aus Heidelberg
Ratternde Nähmaschinen, hüpfende Tischtennisbälle, lautes Lachen oder konzentrierte Stille: seit Anfang April gehört all das fast schon zum Alltag im Heidelberger »Bella Park«. Dabei ist der Park mehr als ein Ort, an dem Veranstaltungen stattfinden. Hier treffen sich unterschiedlichste Menschen: Babys und Opis, Wohnungslose und wohlhabende Bürgerinnen, Punks und Versicherungsangestellte, Ur-Heidelberger und Geflüchtete. Gemeinsam entsteht so auf einer öffentlichen Grünfläche zwischen Hauptbahnhof und Römerkreis ein Park für alle.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt bildet die Grundlage unseres Miteinanders in einer stabilen Demokratie. Dieser Zusammenhalt muss jedoch immer wieder aufs Neue geschaffen und gelebt werden. Ziel des von der Stiftung Mercator ausgelobten und von der Stiftung Mitarbeit umgesetzten Förderfonds »Begegnung und Zusammenhalt« ist es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt mit Hilfe von fantasievollen Begegnungsformaten zu stärken. Im Mittelpunkt stehen öffentliche Orte des alltäglichen Lebens, an denen sich Menschen im Alltag unkompliziert begegnen können.
Das Projekt des Vereins gegen Müdigkeit e.V. möchte in Heidelberg einen Quartierstreff ohne Konsumzwang etablieren. Bespielt wird eine urbane Grünfläche, die jahrelang vernachlässigt wurde. Das sozialräumliche Umfeld ist komplex: Bahnhof, Discounter, Wettbüro, Wohnungen, Treffpunkt für Süchtige und die Shuttle-Haltestelle eines großen Erstaufnahmelagers für Geflüchtete. Ziel ist es, gemeinsam mit den Nutzenden, der Nachbarschaft und weiteren Stadtbewohner/innen die Grünflächen zu beleben. Dabei versteht sich Bella Park als ein Prozess aktiver Stadtgestaltung und als »Experiment an den Schnittstellen zwischen kultureller Stadtentwicklung, Kunst im öffentlichen Raum und Gemeinwesenarbeit«, sagt Jasper Schmidt, einer der Mitgründer des Projekts. »Uns geht es darum zu schauen, wie wir den öffentlichen Raum anders nutzen können, nicht nur als Ort für Konsum und Transit, sondern als ein Ort des Miteinanders. Bella Park ist die gemeinsame Vision, aus dem Ort einen öffentlichen Raum zu machen, der Menschen zusammenbringt und ganz unterschiedliche Nutzungen ermöglicht. Es geht darum, den Menschen zu zeigen, dass der öffentliche Raum ein Raum ist, den man gemeinsam gestalten kann, der niemals fertig ist und der nur darauf wartet, dass man ihn gemeinsam mit anderen belebt«.
Das Zentrum von Bella Park bildet ein »Gesellschaftskiosk« mit regelmäßigen Öffnungszeiten und vielfältigem Programm. Der Kiosk dient als »Zentrale und Keimzelle für Begegnung und Gestaltung des Ortes«, erläutert Ute Seitz, neben Jasper Schmidt eine der Ideengeberinnen des Projekts. Die verschiedenen Angebote ermöglichen Begegnungen zwischen Menschen, die sich sonst nicht begegnen würden, dann spielt zum Beispiel ein »volltätowierter Mann mit Glatze und Böhse-Onkelz-Shirt mit einem Flüchtling vier Partien Tischtennis und beide klatschen sich danach ab«.
Seit der Eröffnung des Gesellschaftskiosks Anfang April ist vor Ort bereits viel passiert: es wurde gespielt und getanzt, geredet und gelauscht, genäht und gebaut. Das gemischte Publikum schafft eine »schöne Atmosphäre« und fängt Konflikte auf, die vor Projektstart an der Tagesordnung waren. »Wir wollen durch Begegnungen neue Perspektiven aufzeigen und einen neuen Blick auf die Welt gewinnen. Und auch wenn sie nicht dieselbe Sprache sprechen: beim Spielen, Tanzen und Bauen lernen sich die unterschiedlichen Nutzergruppen kennen und schieben vorschnelle Urteile beiseite«, sind sich Ute und Jasper sicher. »Wir zeigen, dass öffentlicher Raum mehr sein kann als Parkbank, Blumenbeet und Mülleimer und das es möglich ist, die vielen Nutzungen und Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen.« Dass es dabei auch Herausforderungen gibt, ist allen Beteiligten bewusst. Über die Ansprache der Nutzergruppen hätten sie sich viele Gedanken gemacht, erläutert Ute Seitz. »Wir haben extra zwei Menschen eingestellt, die keine andere Aufgabe haben, als alle Leute, die in den Park kommen, willkommen zu heißen«. Es habe sich bewährt, die Menschen direkt anzusprechen: »Wenn hier jemand vorbeiläuft und ein bisschen unsicher guckt, dann ist es wichtig, dass die Person gleich in Empfang genommen wird, man ein kleines Schwätzchen hält und dadurch zeigt, dass der Bella Park nichts Privates ist, sondern dass jeder dazu kommen kann. Diese Begegnungsmomente in Gang zu setzen, da steckt ganz viel Arbeit drin«. Zudem müsse die Nachbarschaft in geeigneter Weise eingebunden werden, um in Kontakt zu kommen.
Vorläufiger Höhepunkt des Projekts war ein Parkfest, das an drei sommerlichen Tagen Anfang Juli unter anderem mit Live-Musik und DJs, mit Flohmarkt und Upcycling-Modenschau, mit Tischtennis und Schach, mit kreativem Möbelbau sowie mit leckerem Essen und eiskalten Getränken die Menschen aus der Nachbarschaft und die Besucher/innen des Parks zusammengebracht hat.
Ausführliche Informationen zum Programm und zu den geförderten Projekten im Netz unter www.begegnungsfonds.de.
mitarbeiten 4/2024
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