»Gemeinwohlorientierte Stadtteilent- wicklung braucht Orte der Gemeinschaft«
Gespräch mit Stefan Anspach, Montag Stiftung Urbane Räume
Seit dem Jahr 2013 realisiert die Montag Stiftung Urbane Räume an inzwischen sechs Standorten Projekte nach dem Initialkapital-Prinzip. Das Initialkapital-Prinzip kommt in urbanen Räumen zur Anwendung, die in besonderem Maße sozialen und ökonomischen Herausforderungen gegenüberstehen. Es werden dann nicht nur Häuser gebaut, sondern auch Gemeinschaften, Chancen und Möglichkeitsräume. Stefan Anspach, Vorstand der Montag Stiftung Urbane Räume, stellt den Ansatz im Gespräch vor und gibt einen praxisnahen Einblick in die Gestaltung der damit verbundenen koproduktiven Prozesse.

Herr Anspach, seit mehr als zehn Jahren realisiert die Montag Stiftung Urbane Räume Projekte nach dem Initialkapital-Prinzip. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
ie Montag Stiftung Urbane Räume koppelt seit ihrem Bestehen unternehmerische und soziale Aktivitäten. Mit unserem Ansatz der gemeinschaftlichen Stadtteilentwicklung wollen wir Projekte gemeinwohlorientiert auf wirtschaftlich tragfähige Fundamente stellen, um sie dauerhaft im Stadtteil zu verankern. Die Verstetigung von Gemeinwohlarbeit braucht einen Ort der Identifikation, der das Engagement der Beteiligten langfristig sichert. Unsere Projekte entwickeln wir deshalb nach dem Initialkapital-Prinzip, das heißt, wir investieren in leerstehende Gebäude und Gelände und erarbeiten gemeinsam mit den Stadtteilbewohnenden neue Nutzungskonzepte, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Durch die Vermietung sanierter und umgebauter Gebäude erwirtschaftet das Projekt Geld, von diesem Geld werden die Immobilie verwaltet, der Kredit getilgt und die Zinsen gezahlt. Hinzu kommt ein jährlicher Überschuss, der ausschließlich für gemeinnützige Aktivitäten und Maßnahmen vor Ort zur Verfügung steht, die sogenannte Gemeinwohlrendite.
Wie finden Sie geeignete Standorte für Ihr Konzept?
Als wir vor einigen Jahren die Idee hatten, haben wir uns gefragt: Gibt es Akteur/innen, die die Idee mittragen? Gibt es eine Kommune, die mit dabei ist? Gibt es irgendwo potenzielle Immobilien? Das heißt, es war eine aktive Suche, die wir im Rahmen unseres Netzwerks durchgeführt haben. Und daraus ist unser erstes Projekt, die Samtweberei in Krefeld, entstanden. Im Anschluss konnten sich dann in einer zweiten Stufe interessierte Kommunen und Initiativen bewerben, so sind wir zu unserem nächsten Projekt gekommen. Seitdem das Programm bekannter ist, braucht es keine gezielten Aufrufe mehr. Zugleich haben wir Kriterien definiert, wonach wir suchen und wie wir suchen. Bis auf eine Ausnahme sind alle Projekte in etwa zwei Stunden von Bonn aus erreichbar. Denn die Projekte erfordern viel Präsenz unserer Projektentwickler/innen und Gemeinwohlmanager/innen. Wir gründen immer gemeinnützige GmbHs vor Ort, das Team wird dann Teil der Nachbarschaft und nur so entstehen Kontakte und Beziehungen, die ja wichtiger Teil dieser Projekte sind. Und das gelingt nur über eine auch räumliche Nähe.
Was ist sonst noch wichtig?
Zugleich suchen wir nach Kommunen mit einer bestimmten Größe und Struktur, denn wir gehen ja in Stadtteile, die einem Strukturwandel unterliegen. Und es braucht selbstverständlich eine Immobilie, die groß genug ist, um ein tragfähiges wirtschaftliches Modell zu entwickeln. Eigentümerinnen und Eigentümer geben die Immobilie ja nicht in einem klassischen Modell mit in die Entwicklung, sondern verzichten auf die Erhebung des Erbbauzinses, solange dieses Projekt gemeinnützig aktiv ist. Das Erbbaurecht ist die Grundlage der gemeinwohlorientierten Stadtteilentwicklung.
Wie geht es weiter, wenn der Standort und die Immobilie gefunden sind?
Dann geht es daran, in einem partizipativen Prozess mit den Menschen vor Ort zu verstehen, was dieser Standort braucht und wie das Projekt den Menschen im Stadtteil dienen kann. Um eine Gemeinschaft zu bilden, braucht es eine partizipative Koproduktion in der Planung. Wenn dann eine Quartiers- und eine Gemeinwohlstrategie vorliegen und die technische und wirtschaftliche Machbarkeit gegeben ist, kommt als nächster Schritt der Abschluss der Erbbaurechtsverträge. Parallel dazu machen wir immer auch Kooperationsvereinbarungen, die wir für sehr wichtig halten. Kooperationsvereinbarungen schließen wir mit zivilgesellschaftlichen Vereinen, mit der Kommune, mit Wohnungsbaugesellschaften, also mit allen, die Teil der Initialgruppe sind. Wir definieren gemeinsam, was die Zielsetzungen und Erwartungen sind und auch, wer welchen Beitrag ins Projekt einbringt. Am Ende steht die Gründung einer gemeinnützigen GmbH und der Aufbau eines Teams, das sich vor Ort um die Immobilie und das Gemeinwohlmanagement kümmert.
Gibt es daneben vor Ort so etwas wie ein gemeinsames Gremium, das Entscheidungen trifft oder den Prozess begleitet?
Das ist je nach Projekt und Standort unterschiedlich. In Krefeld gab es beispielsweise einen Viertelsratschlag, da kamen unterschiedliche Beteiligte aus dem Viertel, aus Institutionen, aus zukünftigen Mieterinnen und Mietern zusammen und haben überlegt, was es im Stadtteil braucht, haben Projektvorschläge gemacht. In Wuppertal gab es Botschafter/innen, die die Entwicklung des BOB CAMPUS in unterschiedlichen Rollen begleitet haben. Durch dieses Wechselspiel und den laufenden Austausch zwischen der gGmbH und den Menschen im Stadtteil ist man immer am Puls der Zeit und trifft keine Entscheidungen, die schnell überholt sind. Durch die Struktur bleibt es dynamisch und damit auch demokratisch und nah.
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Tel. (02 28) 6 04 24-19
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