mitarbeiten (1/2016)

Krisenkommunikation in Beteiligungsprozessen

Wie können Krisensituationen in Dialog- und Beteiligungsprozessen bewältigt werden? Wie gelingt es, in schwierigen Situationen eine neue Grundlage für einen
Dialog zu schaffen? Welches sind wesentliche Elemente des Krisenmanagements? Marcus Bloser, geschäftsführender Gesellschafter der IKU GmbH, erklärt im Gespräch, was Bürgerbeteiligung mit »Erwartungsmanagement« zu tun hat und wie Krisenkommunikation in Beteiligungsprozessen gelingen kann.

Herr Bloser, in welchen Beteiligungsprozessen spielt das Thema Krisenkommunikation eine Rolle?

Im Prinzip bei allen Vorhaben, bei denen das Konfliktpotential von vorneherein absehbar ist. Beispielsweise bei großen Infrastrukturprojekten, beim Flughafenausbau, beim Netzausbau oder dem Bau von Massentierhaltungsanlagen, diese Projekte sind ja beim Start schon fast in der Krise. Wenn die beteiligten Akteure feststellen, wir kriegen es über die formellen Planungsverfahren nicht hin, wenn das Vertrauen verloren gegangen ist, die Verunsicherung und das gegenseitige Misstrauen groß ist und Angst das Handeln dominiert. Wenn die Krisensymptome anzeigen, dass kein unbelasteter Start ins oder kein Fortschritt im Verfahren möglich ist, wenn die Bereitschaft zum direkten Gespräch und zur Aushandlung fehlen, dann ist dies in den meisten Fällen der Anlass, einen Dialog und ergänzende Beteiligungselemente in Gang zu setzen.

Es ist Ihre Aufgabe als Prozessgestalter dafür zu sorgen, in solchen Situationen eine neue Grundlage für einen Dialog zu schaffen. Wie machen Sie das?

Die erste Begegnung muss intensiv vorbereitet werden. Es ist jedoch eine Illusion, in solchen Fällen allein auf seine Moderations- oder Methodenkompetenz zu vertrauen, in der Hoffnung, die Krise, den Konflikt und die daraus entstandenen Wunden schnell heilen zu können. Sie müssen langsam wieder Vertrauen aufbauen, Pendeldiplomatie betreiben, Einzelgespräche führen mit den beteiligten Akteuren. Sie müssen sondieren, was möglich ist, wie der Eintritt in den Aushandlungsprozess gestaltet werden kann. Denn solche Aushandlungsprozesse müssen von den Menschen gewollt und gemeinsam entwickelt werden. Das braucht Zeit, die man in Krisensituationen ja eigentlich gar nicht hat. Trotzdem muss man sich die Zeit nehmen und den beteiligten Akteuren Zeit geben, Vertrauen ins Verfahren und zu uns als Prozessgestalter aufbauen zu können.

Aus der Sicht eines Prozessgestalters: Was sind für Sie die wesentlichen Elemente beim Thema Krisenkommunikation?

Erwartungsmanagement. Das heißt, mit den Leuten klären, was wollen wir erreichen, was trauen wir uns zu, was aber auch nicht. Und was erwarten wir von Politik und anderen Entscheidungsträgern zum Umgang mit den Ergebnissen. Das muss frühzeitig geklärt werden. Zudem braucht es schriftlich vereinbarte Regeln zum Ablauf des Verfahrens. Es ist aber auch wichtig, den Akteuren die Angst vor vermeintlich zuviel Offenheit zu nehmen. Meine Praxiserfahrung zeigt: Je offener sie in Beteiligungsprozessen agieren, desto konstruktiver wird die Atmosphäre. Wenn die Akteure merken, die offen geführte Debatte erzeugt einen Mehrwert, dann haben sie gewonnen.

Was heißt das für Unternehmen, die im Rahmen von Großvorhaben häufiger in konflikthafte Situationen kommen können?

Unternehmen müssen sich genau überlegen, wie kompromissfähig und kompromissbereit sie bei ihren Planungsvorhaben sind. Möchte ich wirklich über alternative Formen der Umsetzung debattieren? Oder möchte ich den Leuten »nur« im direkten Dialog mein Vorhaben erläutern? Wenn man Beteiligung verspricht, aber die Dialogbereitschaft nur dazu dient, Akzeptanz für das geplante Vorhaben zu erzielen, dann muss man sagen, das funktioniert nicht, das ist PR, die nicht über ein länger andauerndes Verfahren trägt. Wenn dieser Ansatz im Vorfeld klar kommuniziert wird, ist das zwar legitim; wenn ich aber die Erwartung erzeuge: ich lade euch ein mitzugestalten, habe es in Wirklichkeit aber gar nicht vor – das funktioniert nicht, das fällt ihnen irgendwann auf die Füße.

Als Prozessgestalter sind Sie Auftragnehmer des Vorhabenträgers. Wie sichern Sie Ihre Unabhängigkeit im Prozess?

Wenn sie einen Prozess starten, egal von wem sie beauftragt sind, werden sie erstmal von allen Prozessbeteiligten sehr kritisch beurteilt. Das würde ich auch nicht anders machen. Dann wird die Unabhängigkeit sehr stark durchleuchtet, gerade von Akteuren und Initiativen, die glauben, vermeintlich weniger Einfluss und Macht im Verfahren zu haben. Die sagen, da kommen Prozessgestalter, die machen einen schick designten Prozess, wir finden den toll und nach einem halben Jahr oder einem Jahr stellen wir fest, die haben uns über den Tisch gezogen. Dieses Misstrauen muss man ernst nehmen und sich darauf einstellen. Deswegen versuchen wir in der Vorbereitung, über Einzelgespräche Vertrauen aufzubauen und aktiv solchen Sorgen und Befürchtungen zu begegnen. Trotzdem ist die Frage der Finanzierung ein Problem. Wenn man nur von einem Akteur bezahlt wird, und es ist egal, welcher das ist, wird man als parteiischer Dienstleister wahrgenommen, das ist Realität. Wir versuchen, dem zu begegnen, indem wir unsere Aufträge offenlegen und allen zugänglich machen. Wir räumen uns auch immer das Recht ein, ein Verfahren abbrechen zu können, wenn wir den Eindruck haben, der Auftraggeber des Verfahrens möchte uns zu bestimmten Handlungen zwingen. Viel lieber wäre es uns, wenn alle Akteure den Prozessgestalter gemeinsam bezahlen würden.

Das wäre ein Weg, faire Einflusschancen für alle Akteure zu eröffnen. Denken Sie in diese Richtung?

Mein Vorschlag wäre, eine Fondslösung zu realisieren. Ein Fonds, der eine gemeinsame Finanzierung von Beteiligungsprozessen möglich macht. Dieser Fonds würde von zivilgesellschaftlichen Organisationen, von staatlicher Seite und von Wirtschaftsverbänden finanziert, über die Verwendung der Mittel würde gemeinsam entschieden und aus diesem Topf würden dann die Dialoggestalter bezahlt. So ließen sich die finanziell bedingten Ungleichgewichte, die es ja häufig in Verfahren gibt, ausgleichen. Und dieses Ungleichgewicht muss zwingend ausgeglichen werden, sonst kommt man nicht in eine Verhandlungssituation auf Augenhöhe. Das bleibt dann eine Farce. Wir raten – unabhängig von einer möglicherweise in der Zukunft liegenden Fondslösung – immer dazu, Mittel bereitzustellen, die für die Qualifizierung und für das Abmildern dieser Ungleichgewichte verwendet werden können. Ein Beispiel: Es gibt bei einem geplanten Projekt Gutachten von Vorhabenträgern und Behörden, aber keines der Bürgerinitiativen, weil denen schlicht das Geld fehlt, ein eigenes Gutachten zu beauftragen. Vor diesem Hintergrund wäre es besser, von vorneherein ein Budget in den Dialog einzustellen und zu sagen, wir versuchen gemeinschaftlich, offene Fragen durch Experten und Gutachter klären zu lassen. Das macht den ganzen Prozess noch einmal ein bisschen teurer, denn sie müssen nicht nur die Prozessgestaltung finanzieren, sondern auch noch Geld für solche Unterstützungsleistung aufwenden. Das Geld ist aber unter dem Strich gut angelegt, weil dadurch die Dauer der Verfahren verkürzt wird und sie als Prozessgestalter weniger Energie und Zeit investieren müssen, das gegenseitige Misstrauen der Akteure ab- und das gegenseitige Vertrauen aufzubauen.

Das vollständige Gespräch mit Marcus Bloser finden Sie unter www.mitarbeit.de/publikationen/video_gespraeche