mitarbeiten (2/2000)

Leben im Stadtteil aktivieren – Quartiersmanagement als Chance

Spätestens seit dem Bund-Länder-Programm »Soziale Stadt« ist der Begriff »Quartiersmanagement« in aller Munde. Für die einen scheint er eine Art Zauberformel für Stadtteile mit besonderen Problemlagen zu sein; für andere ist er eine Leerformel. Was verbirgt sich hinter dem Begriff, was bedeutet er in der Praxis? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Fachtagung »Quartiersmanagement – ein Wundermittel der Stadtentwicklung?« in Leipzig, veranstaltet von Arbeitskreis Integriertes Wohnen e.V., Volkshochschule Leipzig und Stiftung MITARBEIT. Rund 140 Praktiker(innen) aus unterschiedlichen Bereichen sozialer Arbeit, Bürgervereinen, Wohnungswirtschaft und kommunaler Verwaltung nutzten die Gelegenheit zu Erfahrungsaustausch und Diskussion.

Tatsächlich steht der Begriff des  Quartiersmanagements für teilweise sehr unterschiedliche konzeptionelle Ansätze. Gemeinsamer Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß sich die Verlierer des Wandels zunehmend in bestimmten Wohnquartieren konzentrieren: Arbeitslose, Arme (Sozialhilfeempfänger), (arme) Alte, (arme) Alleinerziehende und Ausländer/Spätaussiedler. »Eine ›Versorgungsklasse‹ (benachteiligt hinsichtlich Einkommen, gesellschaftlicher Teilhabe und sozialer Erfahrungen) entsteht, und Tendenzen zu ihrer längerfristigen Ausgrenzung im Wohn- und Arbeitszusammenhang sind unübersehbar; Ghettoisierung droht«, beschreibt der Arbeitskreis Integriertes Wohnen e.V. diese Entwicklung.

Weder einseitig planungs- und bauorientierte Strategien noch die dauerhafte Alimentierung der sozial Benachteiligten können langfristig sinnvolle Gegenmaßnahmen sein. Erforderlich sind vielmehr integrierte Ansätze, die zum einen alle für das Gebiet relevanten Akteure – Bewohner, Eigentümer, lokale Organisationen, Politik, Verwaltung, Wirtschaft – zusammenbringen, um Ressourcen zu bündeln, und zum anderen die Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Selbsthilfepotentiale für den Stadtteil aktivieren.

Genau dies ist das Ziel von Quartiersmanagement. Für seine Ingangsetzung werden Organisator(inn)en, die sog. Quartiersmanager(innen), eingesetzt. Ihre Aufgabe ist es, den Prozeß anzustoßen und zu koordinieren und als Ansprechpersonen den Informationsfluß zwischen allen Beteiligten zu ermöglichen.

Grundlage ihrer Arbeit ist die Analyse des Status quo und Erhebung stadtteilspezifischer Probleme und Bedarfe. Dabei bedienen sie sich aktivierender Befragungsmethoden. Der gemeinsamen Problemformulierung folgte die Entwicklung von konkreten Projekten und Handlungsschritten und deren Umsetzung.

Für alle Arbeitsschritte gilt, daß die Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils aktiv beteiligt sein müssen. Ohne ihr Engagement und ohne ihre Motivation kann Quartiersmanagement nicht gelingen. Es muß daher an der persönlichen Betroffenheit ansetzen, konkret und anschaulich sein und zeitnahe Resultate aufweisen können.

»Den Bewohnern muß deutlich werden, daß mit dem Beginn des Quartiersmanagements etwas passiert, was bisher nicht geschehen ist«, formulierte Ralf Elsässer vom Büro Doppelspitze, Träger des Quartiersmanagement-Prozesses in Leipzig-Volkmarsdorf. Um diese Aufbruchstimmung zu erreichen, sei es wichtig, daß für alle Gruppen im Stadtteil (Erwachsene Anwohner, Kinder, Jugendliche, Senioren, Händler) jeweils mindestens ein Projekt in Angriff genommen werde.

Einigkeit bestand bei den Teilnehmenden der Tagung auch darin, daß eine nachhaltige Stadtquartiersentwicklung ohne Entwicklung lokaler Ökonomie kaum vorstellbar ist. Dies erfordert eine kleinräumige Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung und den gezielten Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente für die wirtschaftliche Revitalisierung von Quartieren mit besonderem Entwicklungsbedarf.

Offen blieb die Frage, was außer der Begrifflichkeit das spezifisch Neue am Konzept des Quartiersmanagements ist. Schließlich werden vergleichbare Ansätze schon seit vielen Jahren unter den Namen Gemeinwesenarbeit oder Stadtteilorganisation diskutiert und praktiziert. Jeder Zeit ihre Terminologie. Der Unterschied zu früher ist vielleicht, daß die Notwendigkeit solcher Ansätze heute quer durch fast alle politischen Strömungen und gesellschaftlichen Gruppen anerkannt wird. Darin sollte eine Chance gesehen werden.

Die Beiträge zur Tagung – darunter ein Thesenpapier des Arbeitskreises Integriertes Wohnen e.V. – werden in der Ausgabe Nr. 1/2000 des Rundbriefs Bürgerbeteiligung dokumentiert, die Ende April erscheint.

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