mitarbeiten (3/2001)

Mentoring in der Praxis – Solidarität zwischen den Generationen

Die demographische Entwicklung unserer Gesellschaft bereitet Sorgen. Im Jahr 2030 wird wahrscheinlich ein Jugendlicher auf sieben Erwachsene kommen, zukünftige Generationen werden eine enorme Versorgungslast zu tragen haben. Schwarzmaler sprechen schon von einem Krieg der Generationen und neuen Verteilungskämpfen. Dies ist aber nur eine Perspektive. Demgegenüber stehen in allen Bereichen neue phantasievolle Formen der Solidarität zwischen den Generationen. Dazu gehört auch das so genannte Mentoring, das bei einer gemeinsamen Tagung des Projektbüros Dialog der Generationen, der Evangelischen Akademie Loccum und der Stiftung MITARBEIT vorgestellt wurde.

Da ist zum Beispiel das Projekt »Alt hilft Jung» in Neu-Isenburg. Zehn Senioren begleiten – in Zusammenarbeit mit dem Jugendbüro – Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen beim Übergang von der Schule in den Berufsalltag. So helfen die Älteren beispielsweise, Praktikums- und Ausbildungsplätze zu akquirieren oder berufsbezogene Trainings durchzuführen. Die erfahrenen Senioren widmen den Jugendlichen Zeit und stehen ihnen mit Tipps und praktischen Hilfestellungen zur Seite.

Beim Projekt »Senioren ans Netz« aus Nürtingen sind demgegenüber die Alten die Lernenden. Junge Menschen geben Älteren eine Einführung im Umgang mit Computern.

Für die Fähigkeit zum Mentorat sind nicht die Kenntnisse, die das höhere Alter mit sich bringt, entscheidend, »sondern eine Lebenserfahrung, die weiter zu geben oft als Anliegen empfunden wird« (Volker Amrhein vom Projektbüro Dialog der Generationen).

Wie breit das Spektrum von Mentoring-Projekten inzwischen ist, belegt das Mentoringprojekt des Landes Rheinland-Pfalz »Mehr Frauen in die Politik«. Politikerinnen wurden aufgerufen, ihre Erfahrungen an politikinteressierte Frauen weiterzugeben. Ergebnis: 35 Mentees haben teilgenommen, bei der Kommunalwahl 2001 erlangten 20 von ihnen ein Mandat. Für Karin Drach vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Kultur, Jugend, Familie und Frauen ist Mentoring die effektivste Form, »um sein Wissen zu vermitteln und neues Wissen zu bekommen«. Ein schwergewichtiger Grund, der auch die private Wirtschaft längst veranlasst, Mentoring als Instrument zur Personalentwicklung einzusetzen.

Der Begriff des Mentoring leitet sich aus der griechischen Sage ab. Als Odysseus auf Reisen ging, vertraute er seinen Sohn Telemachos dem Mentor an. Heute ist Mentoring eher eine »Eins zu Eins«-Lebensabschnittsbeziehung zwischen Mentor (Kümmerer) und Mentee (Schützling). Der Lernprozess gestaltet sich im Dialog, wobei der/die Mentee im allgemeinen die Themen bestimmt. Es geht dabei nicht so sehr um die großen Dinge, wichtiger sind die Ermutigung und kleine Tipps – dies ist übereinstimmend die Erfahrung aus den vorgestellten Projekten.

Mentoring füllt eine Lücke. Die eher theoretisch-abstrakte Wissensvermittlung in Bildungsinstitutionen reicht oft nicht aus, um individuellen Lernbedürfnissen gerecht zu werden. »Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen« besagt ein afrikanisches Sprichwort, an das bei der Tagung erinnert wurde. Mentoring ermöglicht soziales Lernen und kann helfen, Solidarität zu entwickeln – nicht nur zwischen jung und alt, sondern allgemein zwischen Erfahrenen und weniger Erfahrenen, zwischen Wissenden und Unwissenden, zwischen Privilegierten und Benachteiligten. Es kann Brücken zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen bauen – gerade auch im interkulturellen Bereich.

Obwohl es in Deutschland und Europa schon viele gelungene Projektbeispiele gibt, fehlt es dem Mentoring noch an Bekanntheit und Breitenwirkung. Oft mangelt es nur an den notwendigen Informationen. Ein Problem sind aber auch die Berührungsängste zwischen potentiellen Mentoren und Mentees. Zudem müssen Mentoren über Fortbildungen auf Ihre Arbeit vorbereitet werden.

Dass der Ausbau des Mentoring keine Zukunftsmusik sein muss, beweist der Blick über die Grenzen zum Projekt »Big Brother, Big Sister«: In jeder größeren amerikanischen Stadt gibt es Agenturen zur Vermittlung von Patenschaften. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung hat diesen Ansatz mit dem Projekt: »Big Friends for Youngsters« nach Deutschland geholt.

Nähere Informationen sind beim Projektebüro »Dialog der Generationen« (c/o Pfefferwerk Stadtkultur, Fehrbelliner Str. 92, D-10119 Berlin, Telefon (0 30) 44 38 34 75, Internet: www. pfefferwerk.de/projektebuero) erhältlich. Infos direkt zum Programm »Big Friends for Youngsters« finden sich im Internet unter www.biffy.de. Zudem kann man sich an die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, Martin Bock, Gustav-Freytag-Str. 1, D-10827 Berlin, Telefon (0 30) 2 80 70 00 wenden.

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