mitarbeiten (3/2016)
Integration braucht Beteiligung
Trotz des politischen Streits um die zukünftige Migrations- und Flüchtlingspolitik sollte unstrittig sein, dass die Geflüchteten, die heute in Deutschland leben, neben dem Anrecht auf Schutz und Hilfe auch einen Anspruch auf Beteiligung haben. Das Netzwerk Bürgerbeteiligung stellt in einem aktuellen Impulspapier klar: Nur wenn die Geflüchteten selbst als aktiv Handelnde gewonnen und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, kann das neue Zusammenleben auf Dauer gelingen.
Mehr als eine Million Menschen sind seit dem »Sommer des Willkommens« 2015 nach Deutschland gekommen. Wie viele der Geflüchteten dauerhaft bleiben werden und wie viele in absehbarer Zeit hinzukommen werden, wissen wir nicht.
Der längst begonnene Integrationsprozess konzentriert sich bislang zumeist auf Sprache, Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt. Ohne diese Herausforderungen gering zu schätzen, spricht sich das Netzwerk Bürgerbeteiligung in einem zehn Punkte umfassenden Impulspapier für eine Erweiterung der Handlungsfelder und für einen Perspektivenwechsel aus. Klar ist: »Integrationsprozesse können nur gelingen, wenn die Geflüchteten diese mitgestalten«.
Für diesen geforderten Perspektivenwechsel gibt es nach Ansicht des Netzwerks Bürgerbeteiligung zahlreiche gute Argumente. So sei es gerade für Menschen, die aus Regionen mit diktatorischen Regimen fliehen, wichtig, dass sie hierzulande »Demokratie leben und lernen« können. Formen der Beteiligung und des freiwilligen Engagements böten hierfür wichtige Impulse. Die so gemachten praktischen Selbstwirksamkeitserfahrungen seien zudem eine »wichtige entwicklungspolitische Mitgift«, wenn die Geflüchteten in ihre Heimatländer zurückkehrten.
Um den Integrationsprozess zu unterstützen, ist es aus Sicht des Netzwerks Bürgerbeteiligung grundsätzlich wichtig, die »Handlungsfähigkeit und die Gestaltungsmöglichkeiten der Geflüchteten von Beginn an« zu stärken, zum Beispiel durch die Einrichtung von »Flüchtlingsparlamenten«. Die Förderung der Beteiligung und des Engagements sollte künftig ein wichtiges Kriterium bei der Ausschreibung von Gemeinschaftsunterkünften sein.
Jede Initiative für Flüchtlinge müsse sich überlegen, wie sie den Geflüchteten selbst eine aktive und mitbestimmende Rolle verschaffen kann und welche unterstützenden Schritte dafür notwendig sind. Dies gelte auch für die zahlreichen Stiftungen und Bürgerstiftungen, die Förderprogramme für Geflüchtete aufgelegt haben – oft noch ohne Beteiligung der Betroffenen.
Begegnungen und persönliche Kontakte zwischen Einheimischen und den Neuangekommenen können dabei helfen, Fremdheit und Vorurteile abzubauen. Dafür brauche es »niedrigschwellige Kommunikationsorte und -angebote«. Zugleich gehe es um den oft spannungsreichen »Abgleich mit den Normen und Werten der Aufnahmegesellschaft«. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, die »Bereitschaft und Fähigkeit zum Dialog zu stärken«.
Gelingende Integration erfordert nicht zuletzt eine engagierte Kommunalpolitik. Das Netzwerk Bürgerbeteiligung spricht sich dafür aus, kommunale flüchtlingspolitische Qualitätsstandards zu entwickeln, bei denen Engagement und Beteiligung eine zentrale Rolle spielen. Auf kommunaler Ebene sollte zudem eine wirksame Interessenvertretung von Geflüchteten entstehen, die an bereits bestehende Instrumente wie Integrationsräte oder Ausländerbeiräte anknüpfen kann.
Der vollständige Videovortrag von Prof. Dr. Roland Roth zum Impulspapier findet sich unter www.mitarbeit.de/roth_vortrag_integration_2016
- (PDF, 230 KB)