»Was glaubst denn Du?« – Förderung von interreligiösem Verständnis im Stadtteil

Dieses kreative Religionsprojekt richtete sich an Bewohner/innen verschiedener Altersgruppen aus dem religiös und kulturell durchmischten Hameler Stadtteil Nordstadt – davon der Großteil im Alter zwischen 8 und 14 Jahren. Nach einer Religionsbörse, auf der sich die Teilnehmer/innen über unterschiedliche Religionen informieren konnten, kamen die Teilnehmenden zu wöchentlichen Treffen und Projekttagen in den Ferien zusammen. In verschiedenen Projektbausteinen – Fotografie, Theater, kreatives Gestalten – setzten sie sich mit religiösen Themen auseinander. Das Projekt trug zur interkulturellen Verständigung bei, förderte nachbarschaftliche Beziehungen und die Ausbildung von interreligiöser und intergenerativer Solidarität. Im Projekt kooperierten christliche Gemeinden (evangelisch, katholisch, freikirchlich) mit muslimischen und jüdischen Gemeinden.

Ausgangspunkt und Projektverlauf

Ziel des Projektes »Was glaubst denn du?« war es, im multikulturellen Stadtteil Nordstadt in Hameln durch konstruktive Auseinandersetzung mit verschiedenen Religionen Vorurteile abzubauen. Über kulturelle Angebote sollte das Selbstbewusstsein und das Gemeinschaftsgefühl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gestärkt werden, um so vorhandenem Konfliktpotential entgegen zu wirken.

Das Projekt startete in der ersten Herbstferienwoche 2014 im Treffpunkt Heinestraße mit einer Religionsbörse. Rund 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter von 5 bis 45 Jahren – darunter Bewohner/innen der Heinestraße und Schüler/innen der Nordstädter Grundschule Hohes Feld – waren dabei und setzten sich mit den ihnen bekannten Religionen auseinander. Die Teilnehmer/innen stellten sich ihre eigenen, vertrauten Religionen gegenseitig vor und versuchten Verbindendes herauszuarbeiten, um sich anschließend dem Trennenden behutsam zu nähern. Zwei Dinge wurden schnell klar: Zum einen, welch große Differenzen es innerhalb derselben Glaubensrichtung bezüglich Interpretation und Ausübung gibt, und zum anderen, wie schwer es den Mitgliedern verschiedener religiöser Gruppierungen mitunter fällt, sich gegenseitig zu akzeptieren. Es wurde immer wieder heftig diskutiert – unter anderem im Rahmen eines multikulturellen Frühstücks, welches den Abschluss  dieser ersten Projektwoche bildete.

Begegnungsformate

In weiteren wöchentlichen Treffen wurde daraufhin versucht, in gemeinsamen Gesprächen vorhandene Grenzen zu überwinden und untereinander Vertrauen aufzubauen. Darüber hinaus boten verschiedene Formate und Aktivitäten Gelegenheiten zum Austausch: eine gemeinsame Adventsbäckerei, Kerzen ziehen bei den Baptisten und eine Weihnachtsfeier mit Weihnachtsquiz. Hinzu kamen viele Hausbesuche, die Zeit für die ganz individuellen Geschichten boten, welche im Gruppenverband nicht ausreichend Raum finden konnten. So z.B. der Weihnachtsbesuch am 25.12. bei einer alleinerziehenden Muslimin mit ihren drei Söhnen, die das Weihnachtsfest nutzten, um Spenden für einen Hamelner Stadtteil zu sammeln, in dem derzeit noch große Armut herrscht.

Um persönliche Eindrücke von verschiedenen Religionen und deren Praktiken zu gewinnen, besuchten die Teilnehmer/innen des Projekts verschiedene Gotteshäuser und Gemeinden – darunter eine Moschee, eine Synagoge, eine evangelische und eine katholische Kirche sowie eine Baptistengemeinde. Die jungen Teilnehmer/innen nahmen an diesen Terminen mit großer Neugier und Offenheit teil. Dem Besuch der Synagoge und der Moschee schloss sich kurzfristig auch eine Gruppe Kommunionskinder mit ihren Eltern an, die kurz zuvor noch eine Führung durch ihre Kirche geleitet hatten.

Fotoausstellung

Bei den verschiedenen Projektbausteinen entstanden zahlreiche Fotos. Einzelne Bilder hiervon wurden  ausgewählt, mit Texten ergänzt und zu einer Ausstellung unter dem Motto: »Was glaubst denn du?« zusammengestellt, die unter großer Anerkennung vom Oberbürgermeister eröffnet wurde und von März bis Juni 2015 im Familieninformationszentrum besucht werden konnte.

Ein besonderer Hingucker waren Fotocollagen, in denen die Kinder durch verschiedene Posen Buchstaben und Wörter nachstellten.

Theaterarbeit

Parallel zur Vorbereitung der Fotoausstellung wurde ein Theaterstück zu den Themen Mobbing, religiöse Ausgrenzung und Homosexualität erarbeitet, welches von den Mitgliedern der generationsübergreifenden Nordstadttheatergruppe einstudiert wurde. Vieles, was in dieses Stück einfloss, waren Themen, welche die Teilnehmer/innen persönlich beschäftigten, und so verliefen die Probearbeiten emotional und intensiv. Um möglichst viele Schüler/innen zu erreichen, gab es zusätzlich eine Schülervorstellung, zu der einzelne Klassen verschiedener Hamelner Schulen eingeladen wurden; darunter auch viele Jugendliche aus der Heinestraße, die zur regulären Vorstellung niemals gekommen wären und so einige Denkanstöße mit auf den Weg nehmen konnten. Insgesamt besuchten rund 120 Kinder und Jugendliche die Vorstellung, die mit einer Diskussionsrunde endete. Die Resonanz des Publikums war bei beiden Vorstellungen überwältigend.

Kreative Gestaltung des Viertels

Wiederum parallel zu den Theaterproben wurde in der Heinestraße nach Ideen der Bewohner/innen das Außengelände neu gestaltet. Zu dieser Umgestaltung gehörte auch ein Palisadendrache, der die Sandkästen begrenzt, die sich jeweils zwischen den Häuserblöcken befinden. Der Drache als verbindendes Element innerhalb der Wohnanlage, ruht mit seinem Kopf vor dem Heinrich-Heine-Treff, um dann in der Erde zu verschwinden, hinter dem nächsten Häuserblock aufzutauchen, wieder zu verschwinden und letztendlich mit seinem Schwanz in der Nähe des frisch angelegten Nachbarschaftsgarten zu enden. Die Planung und die farbige Gestaltung dieses Drachens war Teil des künstlerisch-gestalterischen Teils im Rahmen von »Was glaubst denn du?«. Es waren zahlreiche Kinder und einige Erwachsene dabei, die sich an den Wochenenden an den Malarbeiten beteiligten. Während dieser Arbeiten haben sich immer wieder Gespräche zwischen den Teilnehmer/innen und Anwohner/innen ergeben – also zwischen den Aktiven und denen, die man sonst nur im Vorbeigehen sieht. Es war eine besondere Atmosphäre, weil der eigene »Wohnraum« aufgewertet wurde und die Beteiligten es selbst in der Hand hatten zur Veränderung beizutragen.

Eine gemeinsame Sommer-Ferienwoche im Nordstadttreff der Heinestraße bildete den letzten Baustein des Projekts. Bei dieser Gelegenheit fertigten die Kinder ein Wandmosaik mit dem Schriftzug »Heinrich-Heine-Quartier« für den Hausflur zwischen dem Heinrich-Heine-Treff und dem Nordstadttreff an, erstellten eine Wortkollage rund um den Begriff des Heinrich-Heine-Quartiers, komponierten einen Heinrich-Heine-Rap und studierten einen Bauchtanz ein.

Diese Ergebnisse wurden bei einem abschließenden Sommerfest, in dessen Rahmen das Heinrich-Heine-Quartier mit seinem fertig umgestalteten Außengelände, auch seinen neuen Namen erhielt, den ca. 150 Gästen präsentiert. Anlässlich eines in der Nacht zuvor verübten Brandanschlags auf eine Flüchtlingsunterkunft in der benachbarten Gemeinde Salzhemmendorf enthielten die Grußworte der stellvertretenden Bürgermeisterin, die daher an diesem Tag noch einen weiteren Termin wahrnahm, auch folgende Frage: »Wo macht es Sinn zu erscheinen? Auf einer Solidaritätsveranstaltung, wo das Unglück bereits geschehen ist? Oder hier, wo genau das gelebt wird, was solchen Eskalationen entgegenwirkt?«

Kontakt und weitere Informationen

Netzwerk Nordstadt
Luther-Gemeinde
Christine Gleiss
Hohes Feld 13
31787 Hameln
E-Mail: netzwerk-nordstadt-hm(at)web.de
Web: www.netzwerk-nordstadt.de

Ansprechpartner für das Programm »Werkstatt Vielfalt«

Björn Götz-Lappe & Timo Jaster
Stiftung Mitarbeit
Ellerstraße 67
53119 Bonn
Tel. (02 28) 6 04 24-12/-17
Fax. (02 28) 6 04 24-22
E-Mail:goetz-lappe(at)mitarbeit.de
jaster(at)mitarbeit.de