Projekt des Monats (12/2018)
»Access All Areas« – Ein Bildungsprojekt für weniger Barrieren und mehr Inklusion
In diesem inklusiv ausgerichteten Vorhaben begaben sich Schüler/innen, Studierende und Menschen mit und ohne Behinderungen auf Stadtteiltouren durch Berlin. Die Teilnehmer/innen vollzogen einen Perspektivwechsel und wurden auf dem Weg durch ihre Stadt dafür sensibilisiert, welche Barrieren im Stadtraum Menschen mit körperlichen Behinderungen alltäglich überwinden müssen. Die Teilnehmer/innen mit Behinderung vermittelten den Teilnehmer/innen bei Exkursionen in den Stadtraum, in Diskussionsformaten und Workshops ihre Sichtweise auf die Stadt. Gemeinsam ging man Lösungsmöglichkeiten nach und sammelte Ideen zur inklusiven Verbesserung des bebauten Stadtraums. Die Ergebnisse des Projektes wurden dokumentiert und in einer Broschüre zum Nachmachen veröffentlicht.
Was für viele im Alltag selbstverständlich ist, wird für Menschen mit Behinderung oft zur Barriere – zum Beispiel, wenn das Café um die Ecke wegen drei Stufen am Eingang nicht zugänglich ist. Das Team von id22: Insitut für kreative Nachhaltigkeit konzipierte daher das Projekt »Access All Areas« als ein partizipatives Format zur Bewusstseinsförderung rund um die Themen Inklusion, Vielfalt und städtische Barrierefreiheit in Berlin. Das Institut verbindet in seiner Arbeit verschiedene Ansätze aus Architektur, Planung, Soziologie, Kunst, Bildung, Permakultur und anderen Bereichen.
Ziel von »Access All Areas« war es, Menschen, die keine Erfahrung mit körperlichen Einschränkungen haben, für die damit verbundenen Barrieren im Stadtraum zu sensibilisieren und sie zu ermutigen, als Wegbereiter/innen selbst aktiv zu werden um ihr eigenes urbanes Umfeld zu verbessern und die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu erleichtern. Denn die Projektverantwortlichen sind überzeugt: Alle profitieren von Barrierefreiheit und Inklusion.
Erfahren, diskutieren, Lösungen entwickeln
Die Herausforderungen für Menschen mit Behinderungen, wie sie in Städten wie Berlin noch immer bestehen, sollten nicht abstrakt vermittelt, sondern vielmehr intensiv erfahren werden. Zielgruppe waren Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft, mit und ohne Behinderung.
»Access All Areas« bestand aus drei Grundbausteinen: Exkursionen ermöglichten das Erleben von Barrieren und Barrierefreiheit im öffentlichen und gebauten Raum. Bei den Stadtexkursionen erkundeten die Teilnehmenden die Stadt mit Rollstühlen, Gehhilfen, Spezialbrillen und Blindenstöcken. Es wurden beispielhafte Orte besucht, die gute, aber auch weniger erfolgreiche Lösungen zur Barrierefreiheit repräsentieren. Dazu gehörten sowohl der öffentliche Raum als auch Nahverkehrsmittel, kleine Läden, Supermärkte, Museen oder Wohnhäuser. Analog zu dieser direkten Auseinandersetzung mit dem Thema wurden Alltagssituationen simuliert. Die Führungen konnten mit vielfältigen Modulen erweitert werden, wie zum Beispiel einem Sportformat (Rollstuhlbasketball) oder »Creative Quests«, in deren Rahmen Teilnehmer/innen spielerisch gemeinsam Aufgaben lösten. So erlebten Menschen, die keine Erfahrung mit körperlichen Einschränkungen haben, was Barrierefreiheit und Barrieren praktisch bedeuten.
Diskussionsformate boten Zeit und Raum für Austausch und Reflexion sowie für die Vertiefung des Themas. Dabei wurden auch theoretische Grundlagen vermittelt, wie zum Beispiel Informationen zur UN-Behindertenrechtskonvention, Grundlagen für das barrierefreie Planen und Bauen oder Statistiken zum Thema Behinderung.
In Workshops wurden schließlich konkrete Verbesserungsmaßnahmen, z.B. bauliche Optimierungen, angedacht und entwickelt. Gemeinsam mit Vermittler/innen partizipativer Designprozesse konnten Ideen getestet, kommuniziert und prototypisch gestaltet werden. Die Länge der Veranstaltungen variierte je nach Modulkombination zwischen drei Stunden und mehreren Tagen.
Perspektiven zusammenführen
Die Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Behinderung stand bei der Planung und Durchführung der Aktionen im Vordergrund. Drei Expert/innen mit Behinderung, die bereits seit mehreren Jahren für id22 tätig sind, waren als Tourguides und Übungsleiter/innen dabei. Zusätzlich konnte das Team um neue Mitglieder erweitert werden. Personen mit Gehbehinderung brachten nicht nur ihre Perspektive als Rollstuhlfahrer/innen ein, sondern auch wichtige Inputs aus ihren beruflichen Feldern – z.B. Politikwissenschaften, Sport, Stadtplanung und Pädagogik.
Im Laufe des Jahres wurden dreizehn Aktionen durchgeführt – darunter sowohl dreistündige Führungen als auch mehrtägige Bildungsprogramme. Schüler/innen aus dem Projekt »movinBerlin«, Studierende, unter anderem von der FU Berlin, der Universität Paderborn und der Medical School Berlin, sowie junge Berufstätige aus unterschiedlichen sozialen Bereichen nahmen hieran teil – insgesamt ca. 250 Personen.
Kooperationen nutzen
Die erfolgreiche Durchführung des Projektes wurde durch Kooperationen mit Partnerorganisationen, Vereinen und Sanitätshäusern ermöglicht, die das Projekt unterstützt und aktiv mitgewirkt haben. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Netzwerkverein be able e.V. mit Schwerpunkt Design-Thinking hat die Erweiterung von »Access All Areas« um diese Dimension ermöglicht. So wurden die Teilnehmenden dazu ermutigt, selbst Prototypen für eine barrierereie Gestaltung von Gebäudeteilen und öffentlichen Räumen zu entwickeln und sich dadurch für Verbesserungen in ihrem sozialen Umfeld zu engagieren.
Erfolge und Wirkungen dokumentieren
Um die Wirkung des Projektes über die Projektlaufzeit hinaus zu sichern und einen Transfer der entwickelten Bildungsmethoden zu ermöglichen, wurde eine anschauliche Dokumentation erstellt und als Online-Publikation veröffentlicht. »Access All Areas – ein Bildungsprojekt zum Nachmachen, für weniger Barrieren und mehr Inklusion« dient damit nicht nur als Zusammenfassung der Ergebnisse, sondern auch als Inspiration für weitere Projekte in diesem Bereich.
Durch den Austausch zwischen Teilnehmer/innen mit und ohne Behinderung wurden Berührungsängste abgebaut und Impulse für ein nachhaltiges Miteinander gegeben. Bei den Exkursionen und Diskussionen wurde deutlich, dass eine barrierefreie Stadt eine Verbesserung der Lebensqualität für alle bedeutet und jede einzelne Person von Inklusion profitiert. Erworbenes Wissen und Erfahrungen aus dem Projekt konnten in Workshops vertieft werden, indem die Teilnehmer/innen auf kreative Weise an eigenen Lösungsansätzen für eine barrierefreie und inklusive Stadtgesellschaft arbeiteten.
Sowohl die Teilnehmenden als auch die Expertinnen und Experten empfanden die Aktionen als intensiv und informativ: Das unittelbare Erleben von Einschränkungen hat dabei geholfen, Aspekte der Barrierefreiheit und Inklusion praktisch zu thematisieren, und gleichzeitig Fragen angeregt. Beim Ausprobieren von Hilfsmitteln bauten sich gegenseitige Berührungsängste schnell ab und es entstand eine offene Atmosphäre. Das Thema wurde den Teilnehmer/innen auf eine spielerische und unterhaltsame Art näher gebracht und gezeigt, dass gesellschaftliche Teilhabe in einer modernen Gesellschaft selbstverständlich sein sollte.
Die Erfahrungen und Kooperationen aus »Access All Areas« bildeten eine gute Grundlage für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Ansätze. So werden die Methoden 2019 und 2020 im neuen Projekt »Moabit Hürdenfrei« von be able eV. und id22 Anwendung finden, um weitere Barrieren im Quartier sichtbar zu machen und mit kreativen Mitteln abzubauen.
Kontakt und weitere Informationen
Kontakt und weitere Informationen
id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit
Larisa Tsvetkova
Wilhelmine-Gemberg-Weg 12
10179 Berlin
Web: www.id22.net
Mail: institute(at)id22.net
Fotos: be able e.V., id22/Larisa Tsvetkova
Ansprechpartner für das Programm »Werkstatt Vielfalt«
Björn Götz-Lappe & Timo Jaster
Stiftung Mitarbeit
Ellerstraße 67
53119 Bonn
Tel. (02 28) 6 04 24-12/-17
Fax. (02 28) 6 04 24-22
E-Mail:goetz-lappe(at)mitarbeit.de
jaster(at)mitarbeit.de