Projekt des Monats (10/2017)

»HeimART« – Gemeinsam kreativ im Seniorenheim

Dieses intergenerative Projekt ermöglichte in drei unterschiedlichen Dresdner Senioreneinrichtungen Älteren, Jugendlichen und Kindern – unter anderem aus einer benachbarten Kindertagesstätte – eine gemeinsame kreative Begegnungswoche. Am ersten Standort wurde eine künstlerische Installation als »Sehnsuchtsort« und Erzähl-Café eingerichtet. Am zweiten Standort gingen Alt und Jung gemeinsam »Auf Spurensuche« und verarbeiteten die Biografien der Senior/innen in kleinen »Erinnerungsboxen«. Am dritten Standort wurde mit »Wir sind Helden« ein öffentlichkeitswirksames Fotografieprojekt umgesetzt. Das Vorhaben thematisierte die Lebensgeschichten der Senior/innen, ihre Erinnerungen und Wünsche und wirkte einer Vereinsamung im Alter entgegen. Die jungen Menschen bereiteten sich mit Unterstützung durch Künstler/innen auf die Projektwochen im Heim vor. Ergebnis des Projektes waren zudem längerfristige Kooperationen zwischen den beteiligten Einrichtungen.

Der Vereinsamung alter Menschen mit Hingabe entgegenzutreten und das Älterwerden nicht hinter verschlossenen Türen, sondern im Zusammensein der Generationen stattfinden zu lassen, ist erklärtes Ziel von Goldstück e.V. aus Dresden. Der Verein ermöglicht Begegnungen von Jung und Alt in Seniorenheimen und Pflegeeinrichtungen und regt mit seinen Projekten einen kreativen und sinnstiftenden Austausch zwischen Jung und Alt an.

Konzept und Zielsetzung

Das Projekt »HeimART« bot in drei verschiedenen Wohn- und Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen ein abwechlungsreiches und anspruchsvolles Angebot, in dessen Rahmen sich jüngere und ältere Menschen näher kamen. Für jeweils eine Woche arbeiteten die Generationen gemeinsam an einem Thema, einer Leidenschaft oder einem Traum – und schufen zusammen ein Kunstwerk. Die jungen Menschen bereiteten sich mit Unterstützung durch Künstler/innen auf die Projektwochen im Heim vor. Die drei Teilprojekte trugen die Titel »Sehnsuchtsort«, »Auf Spurensuche« sowie »Wir sind Helden« und waren jeweils unterschiedlichen Themen bzw. kreativen Ausdrucksmedien gewidmet.

Gewinnung von Teilnehmenden

Kontakte zu den größeren Sozialverbänden (Caritas, Malteser, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz) ermöglichten dem Verein Kooperationen mit Senioreneinrichtungen vor Ort. Die Akquise der jüngeren Teilnehmenden erforderte hingegen verschiedene Strategien, denn ein Faktor stellte sich als kritisch heraus: Zeit. Ausgerechnet das, was viele Senior/innen im Überfluss besitzen, haben junge Menschen scheinbar kaum. So galt es, Partner zu finden, die den Jugendlichen explizit ein Zeitfenster für gemeinnützige Projektarbeit ermöglichten – z.B. KiTas oder andere Einrichtungen, die generationsübergreifend arbeiten möchten.

Prolog

Um die Projektpartner und die Öffentlichkeit über die Arbeit von Goldstück e.V. zu informieren, stellten die Verantwortlichen den drei HeimART-Projekten eine Auftaktaktion voran. Mit »Oma ist ein Goldstück, weil ... « ermöglichte ein großes Dresdner Einkaufszentrum Anfang Januar 2016 eine medienwirksame Vorstellung des Vereins. Hundertfach gaben junge Dresdner/innen während einer Fotobox-Aktion in der Innenstadt witzige, aber auch berührende Antworten auf die Frage, warum es sinnvoll ist, sich für die ältere Generation einzusetzen. Das Publikum konnte über die besten Aussagen abstimmen.

»Sehnsuchtsort«

Im ersten Projektbaustein besuchten Kinder aus dem Kindergarten  »Fröbelzwerge« die Wohn- und Pflegeeinrichtung »Haus Löbtau« und verwandelten mit den Bewohner/innen das Foyer des Hauses in einen »Sehnsuchtsort«.

In Gesprächen mit Heimleitungen, Therapeut/innen und Sozialarbeiter/innen waren die Projektverantwortlichen zuvor immer wieder auf den Begriff »Sehnsucht« gestoßen. Sehnsucht – nach Leben, nach Liebe, nach Anerkennung, nach dem Gebrauchtwerden und Geborgensein. So entstand die Idee, einen Sehnsuchtsort zu schaffen.

Gemeinsam stellte sich die Gruppe die Fragen: Welche Sehnsüchte haben wir eigentlich? Unterscheiden sich die Sehnsüchte von jungen und alten Menschen? Oder sind sie vielleicht gar nicht so verschieden? Die Teilnehmer/innen schufen einen »Baum der Erinnerungen«, einen Sternenhimmel in Gedenken an Menschen, die sie vermissten und einen Briefkasten für ihre »Sehnsuchtspost«. Bei den Begegnung wurde viel geredet, gelacht und gesungen. Und zum Abschied auch ein kleines bisschen geweint. Elan und Lebensfreude der Kinder machten sich im Heim schnell bemerkbar. Die Bewohner/-innen ergriffen Eigeninitiative und brachten unaufgefordert eigene Ideen und Wünsche mit ein.

Auch nach Projektende lädt dieser Ort nun zum Verweilen ein. Der Kindergarten befindet sich in fußläufiger Nachbarschaft. Zwischen beiden Einrichtungen entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehungen, die anhält; es folgten bereits gegenseitige Einladungen.

»Auf Spurensuche«

Senior/innen, die ihren Wohnsitz im Heim beziehen, bringen eine Lebensgeschichte mit, die nicht nur durch Krankheiten wie Demenz in Vergessenheit gerät. Es gibt auch immer weniger Menschen, die Zeit haben, nachzufragen und zuzuhören. Im zweiten Projektteil besuchten Menschen aus den Inpuncto-Werkstätten der Lebenshilfe Dresden Bewohner/-innen der DRK Seniorenwohnanlage an der Yenidze. Die jüngeren Teilnehmer/innen waren dabei interessierte Fragesteller, Zuhörer, Erzähler und Dokumentare.

Alle Teilnehmer/innen waren literarisch interessiert, auch wenn ihre Fähigkeiten und Begabungen unterschiedlich ausgeprägt waren. Aus diesem Grund wurde im Vorfeld mit der Gestaltung einer »Erinnerungsbox« eine weitere Ausdrucksmöglichkeit entwickelt, um – zusätzlich zur Schriftform – die Persönlichkeit, Biografie und Geschichte der Gesprächspartner/innen aus dem Heim auch auf diese Weise festzuhalten. Ein Fragebogen bot zudem eine Orientierung für das Gespräch mit den Älteren. Zum Einstieg nahm der Dresdner Autor Frank Goldammer den aufgeregten Teilnehmer/innen mit einführenden und humorvollen Worten die Angst vor der ungewohnten Situation. Anschließend wurden unter anderem mit einer 105-jährigen Teilnehmerin Karten der Stadt Dresden, Fotoalben und Kriegserinnerungen durchforstet, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Fragen waren direkt und die Antworten klar.

Am letzten Tag der Woche gestalteten die Jüngeren dann zu ihren lnterviewpartner/innen eine Erinnerungsbox mit all dem, was ihnen aus dem gemeinsamen Gespräch interessant und denkwürdig erschien. Die anfängliche Aufregung auf Seiten der Teilnehmer/innen aus den Inpuncto-Werkstätten legte sich sehr schnell. Die Senior/innen blühten auf, lachten über die Erinnerungsboxen und stellten die jungen Besucher/innen ihren Angehörigen vor, als diese – neugierig geworden – zu Besuch kamen.

»Wir sind Helden«

Ausgehend von den Fragen »Worauf sind wir stolz in unserem Leben?« und »Was wollen wir in der Welt (noch) bewegen?« setzten sich 18 Menschen zwischen 6 und 95 Jahren im dritten Teil des Projektes vor der Fotokamera gemeinsam in Szene. Das Teilprojekt entstand in den Sommerferien 2016 in Kooperation mit der CrossMedia Tour und dem Vitanas Senioren Centrum Am Blauen Wunder. Alle Teilnehmer/innen übernahmen so viele kreative Aufgaben wie möglich selbst und inszenierten sich gegenseitig. Die Fotos entstanden mit Unterstützung eines Fotografen und einer Visagistin. Die Requisite des Schauspielhauses diente als Fundgrube für Requisiten und Kleidung. Ausschlaggebend für die Komposition der Bilder war das Wissen, das die Teilnehmer/innen aus Gesprächen mit ihrem jeweiligen Gegenüber in der gemeinsamen Woche erfahren haben.

Die anschließende Ausstellung war bis Ende 2016 im Seniorenzentrum zu besuchen und bis Juni 2017 in der AWO Seniorenbegegnungsstätte Dresden Prohlis zu sehen. Im Anschluss daran wird die Ausstellung in 2018 durch weitere Einrichtungen für Senior/innen wandern. Alle Beteiligten wurden im Anschluss an »Wir sind Helden« mit viel Lob und Anerkennung bedacht. Beim Medienfestival in den Technischen Sammlungen, einem Dresdner Museum, wurden die »Helden« zum krönenden Abschluss sogar mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet.

Kontakt und weitere Informationen

Goldstück e.V. – Bring Herz ins Heim
Frauke Angel
Washingtonstr. 16/16a
01139 Dresden
E-Mail: post(at)goldstueck.org
Web: www.mein-goldstueck.org

Ansprechpartner für das Programm »Werkstatt Vielfalt«

Björn Götz-Lappe & Timo Jaster
Stiftung Mitarbeit
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