mitarbeiten (2/2018)

»Manchmal hilft Humor weiter«

Konflikte, Auseinandersetzungen und öffentlicher Streit gehören zur Demokratie seit jeher dazu. Neu ist jedoch, dass die Grenzen demokratischer Streitkultur immer häufiger überschritten werden. Diese Entwicklung ist zunehmend auch in Bürgerbeteiligungsprozessen spürbar. Die Moderatorin und Mediatorin Claudia Peschen erläutert im Gespräch den Zusammenhang von Dialogfähigkeit und Streitkultur und zeigt, warum mehr Kinder- und Jugendbeteiligung an dieser Stelle wichtig ist.

In der Praxis lässt sich beobachten, dass im Rahmen von Bürgerbeteiligungsprozessen das Diskussionsklima vielerorts rauer und der Ton der Auseinandersetzung schärfer geworden ist. Wie erleben Sie als Moderatorin die Situation?

Gerade bei Veranstaltungen, in denen es beispielsweise um die kommunale Unterbringung von Flüchtlingen geht, muss Bürgerbeteiligung und müssen Moderator/innen lernen, mit Störungen umzugehen. Das reicht von Zwischenrufen und Buh-Rufen bis hin zu persönlichen Beleidigungen und Hass-Mails. Ich selbst habe auch schon erlebt, dass Leute im Vorfeld einer Veranstaltung im Büro stehen und einen beschimpfen.

Wie gehen Sie mit dieser Form der Auseinandersetzung um?

Grundsätzlich gibt es dazu kein Patentrezept. Es kommt meines Erachtens darauf an, mit welcher persönlichen und professionellen Grundhaltung man solche konflikthaften Situationen und Veranstaltungen angeht. Wie gehe ich mit persönlichen Angriffen um? Und gibt es vielleicht auch Themen, die ich nicht moderieren würde? Hier ist eine Selbstklärung nötig. Wichtig ist aber auch, eine Haltung zur Frage zu haben, warum Menschen stören: wenn da jetzt jemand steht mit einem Transparent, was könnten Beweggründe dafür sein? Also auch so etwas wie Wertschätzung gegenüber den Störern haben zu können. Wenn sich Störer aber auf Dauer nicht an die Spielregeln halten, muss man konsequent sein und durchaus mal jemanden des Saals verweisen, um die Veranstaltung weiter durchführen zu können.

Welche weiteren Ideen und Ansätze gibt es?

Wir sollten angesichts der aktuellen Entwicklungen auf keinen Fall in eine Schockstarre verfallen. Es gibt natürlich viele Ideen, die sich methodisch auf das Prozessdesign von Bürgerbeteiligung beziehen. Das heißt zum Beispiel, dass ich bei der Planung eines Gesamtprozesses sorgfältig die Akteurskonstellation analysiere: wer sind Betroffene, wer sind Schlüsselpersonen, welche unterschiedlichen Interessengruppen gibt es? Gerade beim Thema Flüchtlinge ist es wichtig, offene Diskussionen zu ermöglichen, an denen sich auch die Gegner beteiligen können, ohne Stigmatisierung fürchten zu müssen. Gegner und Befürworter direkt in den Kontakt zu bringen, ist sicherlich ein ganz wichtiger Ansatz, der jedoch besser in kleinen Gruppen gelingt, in denen die Mischung aus Experten, Gegnern und Befürwortern stimmt. Gut ist natürlich auch, den gesamten Beteiligungsprozess von Anfang an partizipativ anzulegen und beispielsweise gemeinsam festzulegen, wer moderiert, damit die Moderation wirklich von allen als neutral anerkannt wird. Bei konflikthaften Themen ist es zudem zentral, einen Perspektivwechsel möglich zu machen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Mir fällt spontan die Dialogveranstaltung einer Kommune zum Thema gute Nachbarschaft ein, zu der neben Flüchtlingen auch ganz explizit Nachbarn eingeladen wurden, die dem Thema eher kritisch gegenüber standen. Und noch bevor die Veranstaltung richtig losgegangen ist, hat ein Improvisationstheater auf Zuruf typisch deutsche und typisch syrische Verhaltensweisen in Bezug auf Nachbarschaft gespielt. Das hat den ganzen Prozess und die Diskussion gelockert, weil alle über sich lachen konnten. So paradox es klingt, aber manchmal hilft Humor in solchen Prozessen weiter.

Wie lässt sich Dialogfähigkeit und der konstruktive Umgang mit Konflikten perspektivisch stärken?

Ich finde es angesichts der Entwicklungen wichtig, dass Kommunen eigene Konflikt-Management-Systeme aufbauen und sie auch in der Verwaltung implementieren. Nicht jeder Bürgermeister muss gleich eine Mediationausbildung machen, aber beispielsweise könnten besonders geschulte Mitarbeiter Bürgerinnen und Bürgern eine Konfliktberatung anbieten. Grundsätzlich ist es nötig, dass Kommunen und die Verwaltung noch besser lernen, konstruktiv mit Konflikten umzugehen, das wäre für mich der nächste Schritt.

Ich fände es auch gut, wenn es in dem Zusammenhang mehr interkommunale Zusammenarbeit gäbe, gerade in Kommunen, deren Personaldecke nicht so groß ist. Hier geht es um gegenseitige Unterstützung, Rückhalt, Austausch und Evaluation. Es geht darum zu schauen, was man besser machen kann.

Dann bin ich eine große Verfechterin der Kinder- und Jugendbeteiligung, weil sie für mich die Kinderstube der Dialogfähigkeit ist. Hier kann ich nur an alle Kommunen appellieren, Kinder- und Jugendbeteiligung als Demokratieschule wo immer es geht, einzusetzen, weil dadurch junge Menschen lernen können, anderen zuzuhören und sich eine eigene Meinung zu bilden. Damit kann ich gar nicht früh genug anfangen.

Hier finden Sie das Video-Gespräch mit Claudia Peschen