mitarbeiten (2/2003)

Direkte Demokratie - Glückliche Schweizer(innen)

Die Möglichkeiten zur direktdemokratischen Beteiligung erhöhen nicht nur die Identifikation mit dem politischen System und die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen, sondern tragen auch wesentlich zum persönlichen Wohlbefinden in einer Gesellschaft bei. Zu diesem Ergebnis kommen die beiden Schweizer Ökonomen Bruno S. Frey und Alois Stutzer in dem Buch »Happiness & Economics«.

In keinem anderen Land der Welt finden so viele Volksentscheide und -befragungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene statt wie in der Schweiz. Für die lokalen und regionalen Referenden sind die rechtlichen Regelungen und die erforderlichen Quoren von Kanton zu Kanton jedoch sehr verschieden.

In Basel-Landschaft etwa ist die Regierung sogar verpflichtet, bei Ausgaben ab einer gewissen Höhe die Bürgerinnen und Bürger zu befragen. In anderen Kantonen, wie etwa in Genf, sind die Hürden für die Einleitung einer Abstimmung sehr hoch. Ähnliche Unterschiede gibt es zwischen den 26 Kantonen auch bei den Kompetenzen der Gemeinden. In einzelnen Kommunen haben sie sehr weitgehende Autonomie, in anderen üben die Kantonalregierungen erheblich stärkeren Einfluß aus.

Frey und Stutzer ließen 6.100 Bürger(innen) befragen und stellten fest, daß die allgemeine Lebenszufriedenheit um so höher war, je mehr Mitspracherechte sie haben und je mehr ihre Kommune selber entscheiden kann. Diese Effekte blieben stabil, auch wenn alle anderen möglichen sozialstrukturellen Erklärungsfaktoren (Alter, Geschlecht, Bildung, Familienstand etc.) oder die Größe, Art und Struktur der Gemeinde untersuchungstechnisch neutralisiert wurden.

Rein statistisch gesehen, erhöht ein Umzug von Genf nach Basel das persönliche Wohlbefinden deutlich mehr, als es eine Einkommenssteigerung tun würde. Für einen Zusammenhang mit den direktdemokratischen Teilhabemöglichkeiten spricht, daß vergleichbare Unterschiede zwischen den Kantonen bei den in der Schweiz lebenden nicht-stimmberechtigten Ausländer(inne)n nicht feststellbar waren.

Der Berliner Wissenschaftsjournalist Stefan Klein, dessen Bestseller Die Glücksformel wir den Hinweis auf die Studie von Frey und Stutzer verdanken, resümiert: »In der Schweiz (...) schafft Kontrolle der Einwohner über die Geschicke ihres Kantons die Voraussetzungen dafür, dass sich Menschen zusammenschließen und für ihre Region engagieren. Deshalb fühlen sich die Schweizer zufriedener als alle anderen Europäer.«

 

Literatur:

Frey, Bruno S./Stutzer, Alois: Happiness & economics. How the economy and institutions affect human well-being. Princeton University Press, 2002

Klein, Stefan: Die Glücksformel oder Wie die guten Gefühle entstehen. Rowohlt Verlag, Reinbek 2002

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