mitarbeiten (4/2003)

Demokratieentwicklung von unten – Aktivierende Befragung

Die Bürgerinnen und Bürger eines Wohngebiets oder Stadtteils werden nach ihren Meinungen und Einstellungen befragt und gleichzeitig dazu angeregt und ermutigt, aktiv zu werden, für ihre Interessen einzutreten und bei der Lösung von Problemen im Gemeinwesen mitzuhelfen. So lässt sich das Grundprinzip einer aktivierenden Befragung zusammenfassen.

Die Methode hat eine lange Tradition in der Gemeinwesenarbeit und wird vor allem in Stadtteilen mit großem Problemlösungsbedarf angewandt. Sie beginnt mit einer so genannte Voruntersuchung. Diese dient dazu, das räumliche Gebiet festzulegen, in der die Befragung durchgeführt werden soll, und es näher kennen zu lernen. Typische Bestandteile sind Gespräche mit Schlüsselpersonen und Multiplikator(inn)en, Kontakte zu Bewohner(innen), Auswertung vorhandener Materialien, aber auch ganz allgemeine Beobachtungen des Lebensalltags (Wo treffen sich die Leute? Wo gibt es erkennbare Probleme?).

Die eigentliche Hauptbefragung findet mündlich und persönlich statt. Sie wird vorher angekündigt. Anders als bei der standardisierten Meinungsumfrage mit vorgegebenen Antwortkategorien sind die Fragen offen. Nur so kann es gelingen, die echten Probleme und Sorge der Befragten zu erfahren.

Grundlage bildet ein Interviewleitfaden, der Spielräume für Nach- und Verständnisfragen läßt, z.B. »Warum ist das so?«, »Wie kommt das?« und den Befragten die Möglichkeit gibt, von sich aus Probleme anzusprechen, die ihnen auf der Seele liegen. Bei allen benannten Problemen wird nach eigenen Lösungsideen oder Verbesserungsvorschlägen gefragt. Ebenso wird die potentielle Bereitschaft zur Mitwirkung an deren Umsetzung und zur Zusammenarbeit mit anderen Interessierten erkundet.

Die Initiator(inn)en werten die Ergebnisse der Befragung aus und laden zu einer Bewohnerversammlung ein, um die Ergebnisse vorzustellen und zu besprechen. Damit Aktivierungseffekte nicht verloren gehen, soll die Versammlung zeitnah (max. 4 Wochen) nach der Befragung erfolgen. Der Tagungsort sollte für möglichst alle Bevölkerungsgruppen gut erreichbar sein. Zentrales Ziel der Versammlung ist es, zu gemeinsamen Handlungsschritten zu kommen. Für ihre Umsetzung werden Aktionsgruppen gebildet. Wichtig ist, daß sich dann auch bald etwas tut und erste Resultate sichtbar werden.

Aktivierende Befragungen sind keine kurzfristigen Aktionen, sondern der Beginn eines längerfristigen Prozesses. Sie brauchen gute Vorbereitung sowie qualifizierte Begleitung und Nachbereitung. Sind die Rahmenbedingungen gegeben, können aktivierende Befragungen einen wichtigen Beitrag zur Demokratieentwicklung von unten leisten, weil sie sich vor allem an jene Gruppen richten, die bei anderen Beteiligungsprozessen zu kurz kommen oder nicht beachtet werden.

Literatur:
Lüttringhaus, Maria/ Richers, Hille: Handbuch Aktivierende Befragung. Konzept, Erfahrungen, Tipps für die Praxis. Arbeitshilfen Nr. 27, Verlag Stiftung MITARBEIT, Bonn 2003, 244 S., ISBN 3-928053-82-5, ¤ 10,–

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