mitarbeiten (2/2008)
Spielerische Förderung der Demokratiekompetenz
Obwohl das Spielen ein menschliches Grundbedürfnis ist, gehört es zu unserem Verständnis von Erwachsen-Sein, dass wir das Spielen aufgeben, weil es angeblich nichts mit dem wirklichen Leben zu tun hat. Dabei gibt es in der täglichen Arbeit von Initiativen, Vereinen, Unternehmen und Projekten gute Gründe, in bestimmten Situationen wieder zu spielen. Eine neue Publikation der Stiftung MITARBEIT stellt mit der Planspiel-Methode eine spielerische Form des ganzheitlichen Lernens vor.
Im Spiel wird in der Regel mehr vermittelt als »nur« Inhalt und Wissen. Im Spiel können persönliche Einstellungen verändert und neue Kompetenzen erlernt werden. Im Spiel wird gelebt, was bislang vielleicht nur abstrakt gewusst wurde und es wird gefühlt, was bisher nur gedacht war.
Der antike chinesische Philosoph Konfuzius soll gesagt haben: »Erkläre es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde mich erinnern. Lass es mich selber tun, und ich werde es verstehen«. Auch Friedrich Schiller hat sich Ende des 18. Jahrhunderts in seinen »Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen« mit dem Zusammenhang von Menschsein und Spiel auseinandergesetzt und schreibt: »Der ernsteste Stoff muss so behandelt werden, dass wir die Fähigkeit behalten, ihn unmittelbar mit dem leichtesten Spiel zu vertauschen.«
Planspiele sind eine handlungsorientierte Lehr- und Lernmethode, die sich wie kaum eine andere zur Vermittlung politischer, sozialer oder wirtschaftlicher Zusammenhänge eignet. Im Rahmen von Planspielen können durch die Teilnehmer/innen komplexe Planungs-, Verhandlungs- und Entscheidungsprozesse ergebnisoffen nachvollzogen werden. Ausgangspunkt des Planspiels ist die modellhafte Abbildung der Wirklichkeit. Planspiele reduzieren jedoch die Komplexität der Realität und machen sie so spielerisch handhabbar. Fast alle komplexen Herausforderungen und Probleme lassen sich in Planspielen nachspielen. Wichtig ist, dass das Thema des Spiels sich nicht einfach im Konsens auflösen lässt, sondern ein strategisches Handeln der Akteure erfordert. Deshalb eignen sich Fragestellungen mit wertgerichtetem Hintergrund oder Konflikte mit widerstreitenden Interessen besonders gut für diese Methode. Ein Planspiel braucht also immer eine im Sinn der Ergebnisfindung belastbare Idee.
Die zentrale Steuerung eines Planspiels obliegt der Spielleitung, die den Erfolg des Spiels nicht unwesentlich beeinflusst. Sie passt die Spielidee an die Bedürfnisse der Teilnehmer/innen und die vorhandenen Rahmenbedingungen an und begleitet das Spiel in allen Phasen. Der Spielleiter oder die Spielleiterin gibt während eines Planspiels neue Impulse und sorgt schließlich auch für die Auswertung und den Transfer der Spielsituation in die Realität der Spielenden.
Die Planspielmethode entstammt ursprünglich der militärischen und betriebswirtschaftlichen Aus- und Fortbildung. Inzwischen werden Planspiele in stadtplanerischen Szenarien ebenso eingesetzt wie in der politikwissenschaftlichen und politikdidaktischen Ausbildung oder Bildungsarbeit, wie Dr. Stefan Rappenglück, Politikwissenschaftler am Centrum für angewandte Politikforschung der LMU München, in seinem Beitrag für das Plan-Spiel-Buch erläutert. Angesichts des Postulats von mehr politischer Beteiligung und Teilhabe sowie der Förderung von Demokratiekompetenz sei die Bedeutung handlungsorientierter Methoden garnicht zu überschätzen. Die eigenen Interessen zu artikulieren und sich in Entscheidungsstrukturen und -prozessen zurechtzufinden, muss allerdings gelernt und erprobt werden. Vor diesem Hintergrund ist das Planspiel eine gute Methode, um die demokratischen Grundwerte und Dilemmata zu reflektieren und gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsaspekte zu analysieren.
Nach Rappenglück können Planspiele »die drei Dimensionen des Politischen: polity, policy und politics wirklichkeitsgenau abdecken und vermitteln«. Die Planspielmethode spiegelt den sozialen Handlungsrahmen, die inhaltlichen Fragestellungen und den politischen Entscheidungsprozess wider. Planspiele werden so als »Ort des politischen Handelns« empfunden. Darüber hinaus wird die Partizipationseinsicht und -fähigkeit nachhaltig gestärkt. Denn im Planspiel setzen sich die Teilnehmer/innen bewusst mit politischen Funktionsrollen auseinander und üben sich in politisch-strategischem Denken. Darin liegt auch die besondere Stärke der Methode: Planspiele sind nicht nur geeignet, das gemeinsame Leitziel »Handlungskompetenz«, sondern auch politische Mündigkeit über »Erfahrungen« mit Politik zu ermöglichen.
Kurzum: Planspiele fördern partizipatives, kooperatives und selbstorganisiertes Lernen und entsprechen zugleich den vorrangigen didaktischen Prinzipien der Handlungs- und Teilnehmerorientierung.
Das Plan-Spiel-Buch. Anregungen und Spiele für Engagierte. Arbeitshilfe Nr. 37, Verlag Stiftung MITARBEIT, Bonn 2008, 172 S., ISBN 978-3-928053-96-9, ab Juli 2008 zu beziehen über den Buchhandel oder<link>www.mitarbeit.de
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