mitarbeiten (4/2009)

Bürgerbeteiligung macht die Demokratie erst lebendig

Die Zahl der Bürger/innen, die sich in kommunalen Beteiligungsprozessen engagieren, ist im Vergleich zu anderen Engagementbereichen gering. Lediglich 7 % der 23 Millionen Engagierten in Deutschland geben an, sich am Wohnort in Beteiligungsprozesse einzubringen. Nur wenige Bürger/innen glauben nämlich, dass die Ergebnisse von Beteiligungsprozessen auch tatsächlich  in die Realität umgesetzt werden. In Politik und Verwaltung wiederum scheuen viele Entscheider/innen die Zusammenarbeit mit den Bürger/innen vor Ort. Dies vielfach auch deshalb, weil sie befürchten, Macht abgeben zu müssen. Helmut Klages, Ralph Keppler und Kai Masser beschreiben in ihrer neuen Veröffentlichung den »Teufelskreis«, der aus den gegenseitigen Vorbehalten der Bürger/innen und Entscheider/innen entsteht und machen Vorschläge für seine Überwindung.

Um die kommunale Demokratie mit mehr Leben zu füllen, plädieren die Autoren vor allem für  eine Stärkung der lokalen Bürgerbeteiligung. Die Chancen einer Einflussnahme der Bürger/innen auf kommunale Entscheidungen sollen gesteigert und somit die lokale Demokratie offener, diskursiver und streitbarer werden. Ziel ist es, die bisherige Beteiligungspraxis, die sich vielfach durch Inselhaftigkeit und Zufälligkeit auszeichnet, stärker zu verbreiten, sie verbindlicher und nachhaltiger zu machen. Es geht letztlich um nicht mehr und nicht weniger als die Forderung nach einer »Institutionalisierung« der Bürgerbeteiligung, die sowohl den Bürger/innen als auch den Entscheider/innen gerecht wird und in der sie ermutigt werden, sich auf einen gemeinsamen Dialog und Entscheidungsprozess einzulassen.

Klages, Keppler und Masser arbeiten derzeit an einem umfassenden Modellansatz, der sich in Leipzig in der Planungsphase befindet. Bürgerbeteiligung wird in ihrem Konzept als verbindlicher Prozess verstanden, bei dessen Umsetzung bürger- und entscheiderspezifische Qualitätskriterien eingehalten werden müssen. Vorgesehen ist, den verschiedenen Prozessabschnitten im Rahmen administrativer Entscheidungen jeweils passende Beteiligungsmethoden und -verfahren zuzuordnen. Die Ergebnisse der einzelnen Beteiligungsschritte dienen dabei jeweils als Basis für den weiteren Prozess.

Angedacht ist auch der Einsatz eines Prozessmanagements, dessen Aufgabe es ist, die Beteiligten aus Politik, Bürgerschaft und Verwaltung zu beraten, Beteiligungsverläufe zu steuern und die Akteure von Beginn an kontinuierlich in den Prozess einzubinden.

Die Qualitätskriterien können nach Ansicht der Autoren sowohl im Gesamtprozess als auch beim Einsatz einzelner Methoden hinterlegt werden. So lässt sich in den Prozessen immer wieder prüfen, in wie weit den Anforderungen der Bürger/innen und Entscheider/innen Rechnung getragen wird. Zu den bürgerspezifischen Qualitätskriterien gehört beispielsweise die Offenheit des Prozesses für die Gesamtheit der Bürger/innen, wobei nicht alle Bürger/innen in allen Prozessphasen beteiligt sein müssen. Ein qualitäts­volles Angebot aus Bürgersicht muss aber auch niederschwellig und entscheidungsbezogen sein und die Aussicht auf eine realistische Chance zur Mitgestaltung bieten.

Für Entscheider/innen sind Beteiligungsprozesse unter anderem dann qualitätsvoll, wenn die Gewähr besteht, dass ein Konsens in greifbare Nähe rückt. Für sie ist es zudem wichtig, dass sich der Mehraufwand lohnt und die Beteiligung ein sachliches, differenziertes Bild über die Meinungen der Bürger/innen bietet.

Prüft man die Leistungsprofile der Beteiligungsmethoden auf die jeweiligen Qualitätskriterien hin, zeigt sich, dass es eine größere Zahl von »multifunktionalen Methoden« gibt, die jeweils für sich genommen den größten Teil der Anforderungen erfüllen. Allerdings können einige wenige Kriterien von keiner der Methoden erfüllt werden. Dies muss im Prozess berücksichtigt und ausgeglichen werden.

Den Ansprüchen an eine qualitativ gute Bürgerbeteiligung wird man somit nur dann umfassend gerecht, wenn im Prozess Methoden kombiniert werden, deren Leistungsprofile sich gegenseitig ergänzen und die zeitlich gestaffelt angewendet werden. Klages, Keppler und Masser sprechen in diesem Zusammenhang von einem mit Methoden gut gefüllten »Instrumentenkoffer«, der jeweils der Situation und dem Prozess angepasst angewendet werden muss.

Um Bürgerbeteiligung dauerhaft im Handeln der Kommune zu verankern, bedarf es Regelungen, die Bürgerbeteiligungsprozesse – sowohl in den Augen der Bürger/innen, wie auch im Rahmen des Aufgabenverständnisses der Entscheider/innen – verbindlich sichern. Letztlich geht es darum, in den Kommunen eine Bürgerorientierung eindeutig zu regeln und zu verstetigen.

Klages, Keppler und Masser schlagen vor, eine »Rahmenordnung zur Bürgerbeteiligung« zu schaffen, die das Zusammenwirken von Bürgerschaft, Politik und Verwaltung auf kommunaler Ebene allgemeingültig regelt.

Klages, Helmut/Keppler, Ralph/Masser, Kai: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie. mitarbeiten.skript 04, Verlag Stiftung MITARBEIT, Bonn 2009, 28 S., ISBN 978-3-941143-04-3, € 5,–, zu beziehen über den Buchhandel oder www.mitarbeit.de