mitarbeiten (4/2009)
Vitalisierung der Demokratie
Die Einsicht, dass die demokratische (Alltags-) Praxis in Deutschland verbesserungswürdig ist, mündet vielerorts in die Forderung nach einer Erneuerung der Demokratie und einer partizipativen Reform unseres Gemeinwesens. Doch wenn eine Vitalisierung der Demokratie gelingen soll, sind tiefgreifende demokratische Strukturreformen auf vielen Ebenen nötig. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Magdeburger Politikwissenschaftlers Roland Roth. Für ihn ist klar: Ausgangspunkt dieser Entwicklung muss eine intensive Beteiligung der Bürger/innen an allen öffentlichen Angelegenheiten sein.
Die demokratische Zustandsbeschreibung westlicher Demokratien ist durch eine Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Entwicklungen geprägt. Den mannigfaltigen Krisensymptomen des demokratischen Systems in der Bundesrepublik – als Beispiele nennt Roth die »Verantwortungskrise repräsentativer Demokratie«, die »Performanzkrise des Politischen« oder die »Repräsentations- und Strukturkrise der politischen Interessenvertretung und -vermittlung« – stehen aber auch positive Befunde gegenüber: eine lebendige und überwiegend demokratisch gestimmte Zivilgesellschaft, die große Bereitschaft zu bürgerschaftlichem Engagement oder die wachsende Zahl beteiligungsorientierter Kommunen. Eine Vitalisierung der Demokratie kann insofern auf den (direkt-)demokratischen Erfahrungen und dem Demokratisierungspotential aufbauen, das sich auf kommunaler Ebene in den vergangenen Jahren angesammelt hat. Überhaupt identifiziert Roth die Kommune als die »mit Abstand demokratischste Sphäre der Bundesrepublik«.
Ausführlich geht Roth in seiner Analyse auf die politische Integration von Migrant/innen in der Bundesrepublik ein. Eine entscheidende Einschränkung der Partizipationsrechte von Migrant/innen sieht Roth im fehlenden Wahlrecht: Den Migrant/innen wird damit ein in repräsentativen Demokratien »zentraler Modus politischer Inklusion«, verweigert, der zudem Ressourcen zur politischen Selbstorganisation bietet und die gesellschaftliche Anerkennung stärkt. Unabhängig davon ist es für die Zukunftsfähigkeit des demokratischen Systems sinnvoll, die Beteiligungsbarrieren für alle Zuwanderergruppen deutlich abzusenken.
Das Leitbild der zukünftigen Engagementpolitik sollte sich nach Roths Meinung u.a. daran orientieren, demokratische Gestaltungsspielräume in möglichst allen Lebensbereichen zu erhalten oder zu eröffnen und die Beschränkung von demokratischer Beteiligung auf nachrangige politische Ebenen und Politikbereiche aufzubrechen. Auf individueller Ebene benötigt die Vitalisierung der Demokratie schließlich Menschen mit entsprechenden sozialen und politischen Kompetenzen, um die demokratische Qualität des Gemeinwesens zu steigern.
Die vollständige Studie unter www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-6FABA84E-51D763E7/bst/xcms_bst_dms_29175_29176_2.pdf
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